Helfen ist ja eigentlich eine edle Sache, aber manchmal können wir uns dabei auch übernehmen. Belastend wird es, wenn die Hilfsbereitschaft extreme Züge annimmt. Man spricht in diesem Zusammenhang auch vom sogenannten Helfersyndrom. In diesem Blogbeitrag möchte ich dir erklären, was es mit diesem Syndrom auf sich hat und dabei folgenden Fragen auf den Grund gehen:
- Was ist die Ursache des Helfersyndroms“: Aus welchen Motiven willst du dich kümmern?
- Wer ist betroffen und warum?
- Was sind die Auswirkungen des Helfersyndroms?
Außerdem lade ich dich herzlich ein, dir mein YouTube-Video zum Thema anzusehen:
Helfersyndrom: Definition
Eine Gesellschaft funktioniert am besten, wenn sich die Menschen gegenseitig helfen. Aber manchmal kann es vorkommen, dass wir uns selbst auf Kosten anderer vernachlässigen. Dieses Phänomen wird als Helfersyndrom bezeichnet und beschreibt eine Person, die sich immerzu um die Bedürfnisse anderer kümmert, aber ihre eigenen Bedürfnisse hintenanstellt. Die Betroffenen vergessen meist, dass sie nicht nur für andere da sein müssen, sondern auch für sich selbst. Menschen mit Helfersyndrom nehmen ihre eigenen Bedürfnisse und Gefühle weniger ernst und versuchen, andere glücklich zu machen – klammern dabei aber ihr eigenes Glück aus.
Ursachen: Wie entsteht das Helfersyndrom?
Es gibt viele Faktoren, die zum Entstehen des Helfersyndroms beitragen können. Einer der häufigsten Gründe ist eine Überlastung durch übermäßige Verantwortung und gesteigertes Pflichtgefühl. Die Betroffenen versuchen meist, jeden glücklich zu machen und stehen unter ständigem Druck, alles richtig zu machen – auch wenn es ihnen selbst schlecht geht. Andere Gründe können Ängste vor Ablehnung oder dem Alleinsein sowie Mangel an Selbstliebe und Selbstvertrauen sein. Manchmal ist das Syndrom auch eine Art Fluchtmechanismus vor eigenen Problemen und Schwierigkeiten. Überwiegend ist der Ursprung für das Helfersyndrom in der Kindheit zu verorten.
Für Betroffene beginnt oft ein Teufelskreis
Das Helfersyndrom führt vielfach dazu, dass sich in sozialen Beziehungen einseitige, mitunter für den Helfer sehr frustrierende Dynamiken einstellen. Das Problem ist nämlich: Je mehr sich dieser um andere kümmert, desto weniger sehen die „Empfängerinnen“ der Hilfe, dass der Helfer auch eigene Bedürfnisse nach Zuneigung und Aufmerksamkeit hat. Die Helferin wird als starke, verlässliche und unabhängige Person angesehen, die alleine zurechtkommt.
Gleichzeitig verändert sich das Verhalten von Menschen, die bekümmert werden, oft in eine selbstzentrierte Richtung. Mit anderen Worten: Die „Empfänger“ richten ihren Fokus voll und ganz auf sich selbst und hinterfragen diese Veränderung nicht, da der Helfer das Gefühl erweckt, er hätte sowieso alles im Griff. Soziale Beziehungen, die einer solchen Dynamik folgen, stellen nicht selten eine enorme Belastungsprobe dar, unter der insbesondere die vom Helfersyndrom betroffene Person leidet.
Grenzen werden überschritten
Typisch für das Helfersyndrom ist darüber hinaus, dass die Betroffene auch dann aktiv wird, wenn ihre Hilfe überhaupt nicht erwünscht oder gar störend ist. So kann es passieren, dass Menschen mit Helfersyndrom Grenzen übertreten und anderen ihre Hilfe regelrecht aufdrängen. Im schlimmsten Fall schadet der Helfer der Empfängerin durch seine Hilfeleistung – etwa, weil Ersterer gar nicht über die notwendigen Fähigkeiten verfügt oder Letztere um wertvolle Erfahrungen gebracht wird, an denen sie wachsen kann. In solchen Szenarien fordert das Helfersyndrom gleich mehrere Opfer: der vermeintliche Nutznießer, dem dadurch Unannehmlichkeiten entstehen, und der Helfer selbst, der sich anderen radikal unterordnet.
Das Helfersyndrom kann krank machen
Hat sich das Syndrom fest in der Persönlichkeit der Betroffenen verankert und eine belastende Qualität erreicht, kann dies mitunter schwerwiegende Folgen haben und großes Leid erzeugen. Opfer klagen insbesondere über:
- chronischen Stress,
- Depression,
- psychische Erschöpfung und
- Burn-out-Syndrom.
Ferner kann es für Betroffene problematisch sein, wenn das durch das Helfersyndrom manifestierte Verhalten die einzige Form der Kontaktaufnahme und sozialen Interaktion ist. Vielen Betroffenen fällt es schwer, auf andere Art eine Verbindung zu Mitmenschen herzustellen. Diese Schwierigkeiten der Kontaktaufnahme führen häufig zu zusätzlichem Stress und Ängsten. Darüber hinaus stellt sich in Beziehungen von Menschen mit Helfersyndrom häufig ein Dramadreieck mit einer Retter-Täter-Opfer-Dynamik ein.
Wie Trauma & Helfersyndrom zusammenhängen
Die Intention für die beim Helfersyndrom extreme Form der Hilfsbereitschaft ist folgende: Betroffene Menschen kümmern sich, um im Gegenzug Zuwendung, Anerkennung und Wertschätzung zu erhalten. Gleichzeitig fühlen sie sich gebraucht, wodurch ihr Selbstwertgefühl gesteigert wird.
Vielfach liegen die Ursachen für das Syndrom in der Kindheit, insbesondere wenn die Beziehungen innerhalb der Familie belastend oder gar toxisch waren. Das Entwicklungstrauma beeinflusst die Art, wie Betroffene über sich selbst denken und wie sie sich in sozialen Beziehungen und Situationen sehen.
Oft haben Menschen mit Helfersyndrom als Kind vermittelt bekommen, sie haben Sorge dafür zu tragen, dass es Mama oder Papa (oder beiden) gut geht. Es herrschte eine gewisse Abhängigkeit und die Eltern laden die Verantwortung den Familienfrieden aufrechtzuerhalten auf ihr Kind ab. Für die Tochter oder den Sohn kann dies belastende Konsequenzen nach sich ziehen: Anderen zu helfen wird zur Lebensberechtigung. Betroffene denken, sie dürfen nur leben, wenn sie sich kümmern. Fragen wie „Wer braucht mich?“ und „Wo kann ich helfen?“ werden identitätsstiftend und ein wesentlicher Teil des Selbstwertgefühls. Das Helfersyndrom sorgt dafür, dass betroffene Personen in sich selbst keine Berechtigung zu leben finden und das Gefühl haben, etwas für andere zu leisten, um diese Berechtigung zu erhalten.
Was das „Kümmergen“ von Hilfsbereitschaft unterscheidet
Das Kümmergen (wie das Helfersyndrom auch genannt wird) ist eine Art der übersteigerten Hilfsbereitschaft, bei der man sich in extremer Form um andere kümmert – häufig bis zur Selbstaufgabe. Oftmals wird dabei gar nicht aktiv um Hilfe gebeten. Es geht dem Helfer hierbei meist um das Bedürfnis, gebraucht zu werden und Anerkennung zu erhalten. Die Hilfe wird also – obgleich unbewusst – oft mit Hintergedanken und eigenen Motiven geleistet. Man spricht hier auch von pathologischer Hilfe, die es von der solidarischen Hilfe abzugrenzen gilt.
Wahrhaftige Hilfsbereitschaft hingegen bezieht sich auf die Unterstützung anderer in Situationen, in denen sie tatsächlich Hilfe benötigen. Es geht hierbei nicht um eigene Bedürfnisse, sondern ausschließlich um die Bedürfnisse des anderen.
Es ist wichtig zu erkennen, dass das Kümmergen oft aus einem ungesunden Muster heraus entsteht und langfristig negative Auswirkungen auf die Betroffenen haben kann. Wir sollten uns auf eine gesunde Form der Hilfsbereitschaft konzentrieren und lernen, unsere eigenen Bedürfnisse und die der anderen zu respektieren. Nur so können wir uns auf Augenhöhe begegnen und sowohl unseren Mitmenschen als auch uns selbst die Liebe schenken, die wir verdienen.
Tipps und Anregungen im Umgang mit dem Helfersyndrom
Es ist wichtig für betroffene Menschen, sich frühzeitig einzugestehen, dass etwas in die falsche Richtung läuft. Es gilt Strategien zu lernen, damit umzugehen und besser auf sich selbst und die eigenen Bedürfnisse zu achten. Nur so kann man den Fängen des Helfersyndroms entkommen und ein gesundes Gleichgewicht in Bezug auf Geben und Nehmen finden.
Folgende Tipps und Anregungen können dich beim Umgang mit deinem Helfersyndrom unterstützen:
- Frag dich ganz ehrlich: Kümmerst du dich, weil du das möchtest oder hast du das Gefühl, du musst es tun? Bist du ein „Zwangskümmerer“ oder tatsächlich solidarisch und hilfsbereit?
- Hat deine Hilfe ungesunde Züge? Versuche die Situation objektiv einzuordnen. Macht sich das „Kümmergen“ bemerkbar, bleibst du stark und gibst dem Druck nicht nach.
- Die Situation ist sicher völlig neu für dich und fühlt sich ungewohnt an. Lasse im Zuge dessen aufkommende Gefühle – positive wie negative – zu und versuche, unberechtigte Gewissensbisse auszuhalten.
- Stell dir außerdem die Frage: „Wer bin ich, wenn ich mich nicht um andere kümmere?“