Ich hatte mein ganzes Leben lang ein schlechtes Verhältnis zu meinem Körper.
Wenn ich ihn überhaupt wahrgenommen habe, dann von Außen und mit sehr viel Abwertung.
Um meinen Körper wirklich mal auf einer anderen Ebene zu spüren, brauchte es schon starke Reize wie Schmerzen oder Krankheiten. Aber auch dann habe ich die Signale nicht verstanden. Ich war eine Zeitlang außer Gefecht gesetzt und wenn es überstanden war, dann habe ich genauso weitergemacht, wie vorher.
Aus der heutigen Sicht bin ich dankbar, dass mir mein Körper trotzdem die vielen Jahre tapfer zur Seite gestanden hat. Obwohl ich ihn mit vielen schlechten Angewohnheiten ziemlich traktiert habe.
Heute erzähle ich darüber, wie es für mich war, meinen Körper das erste Mal von innen zu entdecken und was ich dabei über Selbstregulation gelernt habe.
Wenn du wissen willst, was mich zum Aufbruch in eine Veränderung gebracht hat und wie ich in kleinen Schritten aus einer depressiven Phase gegangen bin, dann kannst du das hier noch einmal nachlesen:
Helgrits Tagebuch – Krise und Wendepunkt
Helgrits Tagebuch – Schritte aus der Depression und Therapie
Die Entscheidung
2017 war kein leichtes Jahr für mich.
Das Aufwachen ließ sich irgendwie nicht mehr rückgängig machen und eigentlich wollte ich das auch gar nicht. Also, zurück gehen. Da wartete nur die depressive Starre auf mich. Und das wollte ich auf keinen Fall!
Ich hatte durch meine Therapie und die vielen Informationen von Dami schon so einiges darüber erfahren, was mit mir los ist. Aber wie sollte es weitergehen? Wie bringe ich dieses Wissen nun in mein Leben?
Nachdem ich mich eine Zeit lang mit den Angeboten von Dami beschäftigt hatte, wurde ich auf den Onlinekurs „Mit Trauma leben“ aufmerksam und ziemlich neugierig. Sollte es tatsächlich möglich sein, selbst etwas für mich machen zu können? Und was hat mein Körper damit zu tun? Das waren ziemlich neue Gedanken für mich und ich habe mich für den Schnupperkurs eingetragen.
Meine erste Körperübung
Was mir vom Schnupperkurs am deutlichsten in Erinnerung geblieben ist, ist meine erste Erfahrung mit einer Körperübung.
Es ging dabei darum, die Fähigkeit sich zu orientieren zu üben.
Ich starrte wie gebannt auf den Bildschirm und folgte bewegungslos der Anleitung zu dieser Übung, als ich Dami plötzlich sagen hörte: „Also jetzt machen, du hörst mich ja noch!“
Ich fühlte mich in diesem Moment so ertappt, dass ich mich reflexartig mit dem ganzen Körper umgesehen habe und daraufhin den versprochenen tiefen Atemzug machte. Noch heute muss ich darüber lachen, wenn ich daran denke. Und es ist eine meine liebsten Übungen geblieben. Sie lässt sich problemlos überall anwenden und es war meine erste Erfahrung, dass der Körper einen angespannten Zustand wirklich regulieren kann.
Mir war klar, dass ich diesen Kurs unbedingt mitmachen wollte. Trotz der vielen Stimmen in meinem Kopf, die mir einredeten, das wäre eine schlechte Idee. Weil ich zum Beispiel gar nicht das Geld dafür hätte und ich mit Sicherheit an der Technik scheitern würde.
Ich habe mich trotzdem angemeldet, den Kurs in Raten bezahlt und für meinen technisch eher unterentwickelten Wissensstand gab es hilfreiche Tipps schon im Willkommensvideo.
Im Frühjahr 2017 ging es los und ich war mit dabei!
Da ankommen, wo ich wirklich bin
Bevor die Reise in den Körper anfing, war erstmal der Kopf gefragt.
Neben den vielen interessanten Informationen und Erklärungen fühlte ich mich auf das Kommende auch gut vorbereitet. Da gab es eine Anleitung, wie ich mir einen „Erste-Hilfe-Koffer“ packen kann, wenn es mal einen Notfall gibt. Oder eine PDF zum Sammeln meiner eigenen Ressourcen, die zu meinem Erstaunen mit der Zeit immer länger wurde.
Und es gab Dinge, die genauso schwierig wie hilfreich waren.
Für mich war das vor allem das Kapitel, in dem es darum ging genau hinzuschauen, wo ich wirklich stehe.
Dabei sah ich mich zunehmend mit unbequemen Wahrheiten über mich selbst konfrontiert.
Dass meine Empathie zu großen Teilen angelernt ist zum Beispiel. Das war eine harte Erkenntnis für mich. Ich habe sehr lange gebraucht, um zu erkennen, dass es mal überlebenswichtig für mich war zu fühlen, wie es meinem Gegenüber gerade geht. Und sich daraus inzwischen auch ein echtes Interesse an Menschen und ein ehrliches Mitgefühl entwickelt hat.
Ich musste mir auch eingestehen, dass ich mein Leben fremdbestimmt führe und die Verantwortung für mich selbst lieber an andere abgebe, als eigene Entscheidungen zu treffen.
Dieses ehrliche Hinschauen fällt mir bis heute schwer, weil es schmerzhaft und oft mit einem tiefen Schamgefühl verbunden ist. Doch nur so kann ich sehen, wo ich noch hin will, was ich für mich erreichen möchte und welche Schritte ich dafür gehen muss.
Und ich kann meine Sehnsucht spüren, die mich weitergehen lässt.
Im Körper landen
Schritt für Schritt arbeitete ich mich durch den Kurs und kam durch viele kleine Erfahrungen und Übungen meinem Körper immer näher.
Dazu gab es hilfreiche Erklärungen, Übungsanleitungen durch MP3-Aufnahmen und PDF-Dateien zum Nachlesen, Ergänzen und selbst erarbeiten.
Als es dann darum ging wirklich in den Körper zu fühlen, war meine erste Erfahrung, dass ich nach kurzer Zeit aufspringen und rumlaufen wollte. Das war kaum auszuhalten und es hat mich völlig überrumpelt. Ich komme doch eigentlich aus dem unterregulierten Bereich und habe große Probleme damit, ein bisschen Energie zu aktivieren! Was war da los?
Heute weiß ich, dass unter meinem „Abgeschaltet-Sein“ ganz viel Erregung liegt und ich muss immer noch diese kleine Hürde überwinden, um tiefer in meinen Körper einzutauchen.
Das wurde aber durch das regelmäßige Üben immer besser.
Auch das Fühlen und das Benennen der Körperempfindungen hat sich mit der Zeit immer mehr ausgeweitet. Anfangs waren es eher kleine Stellen, sehr begrenzt und ganz viel „Nichts“. Und außer, „es tut weh“ oder „es ist warm oder kalt“ hatte ich auch kaum Worte für das, was da so los war. Und durch das regelmäßige Üben war immer mehr los!
Durch das einfache Beobachten veränderten sich die Körperempfindungen. Schmerzen wurden breiter und weniger bohrend oder es wurde an der Stelle heiß und der Schmerz war weg. Der Atem wurde tiefer, an einer Stelle kribbelte es angenehm, während die Beine sich anspannten und dann zu zittern anfingen.
Und ich konnte zunehmend Einfluss auf meinen Körper nehmen und mich mit seiner Hilfe beruhigen oder auch anregen. Das Konzept der Selbstregulation ist mir durch diese Erfahrung klar geworden und ich habe gelernt, dass es funktionieren kann. Dazu gehört, dem Körper regelmäßig Aufmerksamkeit zu schenken.
Die Nebenwirkungen
Zu einer echten Begegnung mit dem Körper gehört auch, dass man mit den unangenehmen Gefühlen in Kontakt kommt.
Bei mir waren es vor allem Ängste und ein riesiger Berg an Traurigkeit. Davon hatte ich mich also die vielen Jahre abgeschnitten. Aus gutem Grund. Ich hatte in diesem Sommer Panikattacken und ich habe sehr viel geweint.
Die Ängste habe ich in Zusammenarbeit von Kopf und Körper ziemlich schnell wieder in den Griff bekommen. Die Traurigkeit sitzt deutlich tiefer und zeigt mir immer wieder, dass ich noch einiges in meinem Leben verändern muss und was mir fehlt.
Es war eine bewusste Entscheidung diese Gefühle zuzulassen.
Denn mit jedem Dämpfen dieser unangenehmen Gefühle kappe ich auch den Zugang zu den schönen Dingen. Diese wieder intensiver zu spüren war ja mein Antrieb.
Kennst du das Gefühl, wenn sich ein Kichern den Weg durch deinen Körper bahnt?
Das ist so unbeschreiblich schön, darauf möchte ich nicht mehr verzichten. Und es gibt noch ganz viele andere Situationen, die man mit dem Körper viel schöner und lebendiger erleben kann.
Da war doch noch was!
Die Erfahrungen, die ich mit dem Kurs gemacht habe, haben mich wacher und neugieriger gemacht.
Das hat auch meine Gesprächstherapie bereichert. Meine Therapeutin hat mich durch diese Zeit begleitet und diese neuen Impulse und Erlebnisse mitgetragen. Dafür bin ich ihr bis heute sehr dankbar.
Naja und dann bin ich schließlich auch über mich selbst hinausgewachsen!
Da war ja noch die Sache mit der Prozessgruppe!
Dieser Wunsch hielt sich so hartnäckig in mir fest, dass ich tatsächlich mal meine ausgetretenen Pfade verlassen und die Strategie geändert habe.
Ich nahm mir jedes Hindernis einzeln vor und betrachtete es solange, bis sich eine Lösung fand. Und plötzlich war das Unmögliche machbar. Ich konnte es nicht fassen!
Nachdem ich meine Anmeldung abgeschickt hatte, folgten die wohl schlimmsten zwei Wochen des Jahres. Dieses Warten und ständig Pendeln zwischen Hoffnung und Resignation war so schwer auszuhalten. Bis der erlösende Brief kam. Mit dem Vertrag für die Prozessgruppe. Ich war tatsächlich dabei!
Inzwischen war es schon wieder Oktober, das scheint mein persönlicher Weichensteller-Monat zu sein. Und dann? Stellte ich fest, dass nach der Warterei vor der Warterei ist.
Inzwischen weiß ich, dass es so eine Warterei erheblich verkürzen kann, einfach auch andere Dinge zu tun. Und dass die Erfüllung eines Wunsches nicht unbedingt bedeutet, glücklich in den Sonnenuntergang zu reiten.
Aber auch mal innehalten und dankbar sein, kann eine Menge bewirken.
Und genau das habe ich Silvester getan. Mich bei mir bedankt und gesehen, was doch alles schon passiert ist.
Ein wenig Kontrolle über die eigenen Gedanken zu bekommen zum Beispiel.
Dass ich freundlicher zu mir bin und immer mehr meinen Körper spüren und verstehen kann.
Und dass ich ruhig auch mal stolz auf mich selbst sein darf!
Weil ich sagen kann:
„Willkommen 2018, das Jahr der Prozessgruppe!“…
Weiter geht es beim nächsten Mal mit meinen Erfahrungen in der Prozessgruppe, den Höhen und Tiefen und was schwer umzusetzen für mich war.
Helgrits Tagebuch – Lebensprozesse und Prozessgruppe
Falls du Lust bekommen hast, den Kurs „Mit Trauma leben“ näher kennenzulernen, dann kannst du dich hier für den Gratis-Schnupperkurs eintragen: