MDMA – eine Chance für traumatisierte Menschen?

MDMA

MDMA und die psychotherapeutische Arbeit mit psychoaktiven Substanzen rückt immer mehr in den Fokus der Forschung. Insbesondere die Möglichkeiten für die Traumatherapie scheinen sehr vielversprechend. In diesem Artikel möchte ich Einblicke in den Stand der Forschung weitergeben und auch meine persönliche Sicht und Erfahrung darstellen. Ebenso findest du Zitate von anderen Menschen, die MDMA als Unterstützung genutzt haben und ihre Erfahrungen hier beschreiben.
Ich habe eine Weile gebraucht, um den Mut zu finden, über MDMA und seine therapeutische Wirkung zu schreiben. MDMA zu nutzen ist, in der Bundesrepublik immer noch verboten. Doch es wird in vielen Ländern intensiv geforscht. Und Australien wird MDMA und Psilocybin als erstes Land der Erde ab 1. Juli 2023 für begrenzte therapeutische Zwecke legalisieren. Es ist zu erwarten (und zu hoffen), dass in den nächsten Jahren immer mehr Länder die Nutzung von MDMA zur Behandlung von Traumata zulassen werden.
Dieser Artikel ist in zwei Teile unterteilt. Der erste Teil beschreibt MDMA und die Wirkung in der Behandlung von Posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS). Der zweite Teil ist persönlicher und beschreibt meine eigenen Erfahrungen und die Erfahrungen anderer Menschen mit MDMA.

Was ist MDMA?

MDMA ist vielen als “Partydroge” bekannt. Aber auch wenn es oft synonym gebraucht wird: MDMA ist nicht gleichbedeutend mit Ecstasy! Therapeutisch nutzt man MDMA in möglichst klinischer Reinheit. Ecstasy enthält meist noch eine Beimischung von Amphetaminen, die es ermöglichen, zu tanzen und Party zu machen.
Hier eine Beschreibung der Schweizer Koordinations- und Fachstelle Sucht:

“MDMA (3,4-Methylendioxy-N-methylamphetamin) ist ein synthetisches Amphetaminderivat mit stimulierender und leicht halluzinogener Wirkung. Es wird der pharmakologischen Substanzklasse der Entaktogene zugeordnet. Damit werden psychoaktive Substanzen bezeichnet, unter deren Einfluss die eigenen Emotionen intensiver und verändert wahrgenommen werden. MDMA wurde erstmals 1912 von Merck synthetisiert; ab Mitte der 70er Jahre wurde es in der Psychotherapie eingesetzt. Seit den 80er Jahren ist MDMA unter der Bezeichnung «Ecstasy» als synthetische Partydroge bekannt.
Ecstasy hat zumeist die Form von bunten Pillen mit unterschiedlichen Logos. Seltener wird es in kristalliner Form, als Pulver oder in Kapseln abgefüllt gehandelt. Als Ecstasy verkaufte Pillen enthalten teils andere psychoaktiv wirksame Substanzen, zum Beispiel das Halluzinogen 2C-B. Der Wirkstoffgehalt der Pillen schwankt zudem stark. Konsumierenden von MDMA wird deshalb empfohlen, Warnhinweise zu Ecstasy-Pillen zu beachten und Drug-Checking-Angebote zu nutzen.” https://www.infodrog.ch/de/wissen/suchtformen/ecstasy-mdma.html

Die Wirkung von MDMA

Die besondere Wirkung von MDMA – weshalb es sich für die Arbeit mit Traumata so besonders eignet, erklärt sich durch die Erhöhung der Aktivität von Neurotransmittern und bestimmten Hormonen, dabei insbesondere:

  • Dopamine — sie sind das Belohnungssystem des Gehirns und wirken energetisierend.
  • Norepinephrine — sie erhöhen Herzfrequenz und Blutdruck.
  • Serotonin — es verändert Stimmung, Appetit und Schlaf. Es triggert außerdem Hormone, die sexuelle Erregung und Vertrauen regulieren, was wiederum emotionale Nähe, Empathie und die allgemeine Stimmung verbessert.
  • Auch die Hormone Oxytocyn, Prolactin und Cortisol sind nach der Einnahme von MDMA erhöht.
  • Mitchell et al. (Natur Medicine 2021) vermuten auf Basis von diversen Untersuchungen, dass MDMA durch den Neurotransmitter Serotonin und das Hormon Oxytocyn die Amygdala beeinflusst. Die Amygdala reguliert angstbasiertes Verhalten und trägt somit zur Aufrechterhaltung von Posttraumatischen Belastungsstörungen bei.

    Manche Menschen stecken fest

    Nach meiner persönlichen Erfahrung mit über 25 Jahren therapeutischer Begleitung von Menschen stecken viel zu viele Betroffene viel zu lange in sich und ihren Traumafolgen fest – und das oft trotz Therapie. Sie bemühen sich, aber sie kommen nicht weiter. Bei den vorhandenen Traumata kann es sich um Gewalterfahrungen handeln. Es kann aber auch ein großen Mangel an Zuwendung und Einfühlung als Kind durch die Eltern zugrunde liegen, manchmal auch verursacht durch lange Phasen der Trennung von den Eltern durch Krankenhausaufenthalte oder ähnliches.
    Die meisten Menschen, die von Trauma betroffen sind, leiden unter bestimmten Symptomatiken, die ihr Wohlbefinden mit sich selbst und mit anderen Menschen stark beeinflussen.
    Es kann sein, dass Betroffene nicht immer die Symptome für eine voll ausgebildete PTBS “erfüllen” und dennoch massiv leiden. Ihr Leiden wird zum Teil leider noch nicht gesellschaftlich anerkannt. Selbst in der neuen Diagnose “komplexe PTBS/Komplextraumatisierung” sind bei weitem nicht alle Menschen beschrieben, die durch ihre Erfahrungen stark in ihrem Leben leiden.
    Oftmals erkennen die Betroffenen selbst die Schwere ihrer Betroffenheit nicht. “Es ist doch nichts Schlimmes passiert” oder “Bei anderen war alles viel schlimmer” sind typische Aussagen von Menschen, wenn es ihnen schwerfällt, ihr eigenes Leiden und ihre eigene Geschichte anzuerkennen. Für manche Betroffene wiederum ist der eigene Zustand so normal, dass es Jahre braucht, bis sie diesen hinterfragen und dann vielleicht Hilfe suchen.
    Leider erfahren diese Menschen immer wieder noch zusätzliche Stigmatisierung durch Therapeuten, Freunde oder Familie, weil ihr Umfeld denkt, dass sie sich nicht genug bemühen, therapieresistent sind oder einfach nur faul oder zu weich und jammernd.

    Kann MDMA-gestützte Therapie bei Trauma helfen?

    Trauma kann viele Symptome in uns hinterlassen. In den meisten Fällen ist das eigene Selbstbild stark betroffen. Schuld und Scham sind fast immer klassische Begleiterinnen von Trauma, sowohl von Schocktrauma als auch von Entwicklungstrauma. Selbsthass und beständige Abwertung sind häufige “Nebenwirkungen” von Trauma.
    Die meisten kennen es, dass der Kopf immer „an” ist und ständig „vor sich hin redet”. Es ist kaum möglich, ohne negative Bewertung auf sich selbst zu schauen. Diese inneren Überzeugungen halten Betroffene im Traumastrudel fest. Ist das negative Selbstbild sehr fixiert, dann ist es meist ein großes Hindernis auf dem Weg zu Heilung und Integration.

    Man geht davon aus, dass bei manchen Menschen durch traumatische Erfahrungen die Regulations- und Bindungsfähigkeit so gering ausgeprägt ist und die Amygdala – das Angstzentrum im Gehirn – so sehr dauer-aktiviert ist, dass auch Psychotherapie kaum möglich ist.
    Ein Gehirn, das von Angst gesteuert wird, kann nicht lernen und nicht wirklich in Beziehung gehen. Jede Erfahrung wird durch den Filter der Angst getrübt. Neue Erfahrungen können kaum abgespeichert werden.

    MDMA scheint hier eine Brücke schaffen zu können, um therapeutische Arbeit möglich zu machen, da MDMA einen liebevollen und mitfühlenden Blick auf sich selbst und die eigene Geschichte ermöglicht und die innere Stimme still werden lässt.

    Traumata bringen häufig eine Abwesenheit von Mitgefühl für sich selbst mit sich. Genau hier setzt MDMA mit seiner Wirkung als empathogene Substanz ein. MDMA kann den Raum für eine Betrachtung der eigenen Geschichte öffnen, ohne Scham, Schuld und innere Anklage – sondern voller Ruhe und Mitgefühl.

    MDMA dämpft die Amygdala und damit die Angst

    Die Beeinflussung der Amygdala durch MDMA könnte dazu führen, dass angstbezogene Erinnerungen freigegeben und prozessiert werden können. Mitchell et al. vermuten, dass die Gesamtheit der pharmakologischen Effekte von MDMA zusammen mit Psychotherapie ein ”Window of Tolerance” schaffen, das es den Menschen ermöglicht, traumatische Erfahrungen zu prozessieren ohne in Überwältigung, Übererregung oder Dissoziation zu gehen.

    MDMA könnte so auch bei der Betrachtung von sehr schweren und normalerweise überwältigenden Themen unterstützen. Denn selbst, wenn man Therapie macht und gemacht hat, gibt es Themen, die schwer aufzuarbeiten und zu integrieren sind. Dazu gehören vor allem schwere Gewalt, insbesondere sexuelle Gewalt. MDMA schützt vor der Überwältigung, die normalerweise mit dem Erinnern verbunden sind.

    In ihrem lesenswerten Buch “Good Chemistry. The Science of Connection, from Soul to Psychedelics ” schreibt Julie Holland über die Wirkung von MDMA:

    “MDMA wirkt durch die Freisetzung von Serotonin an der Synapse, dem Bereich zwischen zwei Neuronen oder Nervenzellen. Auch Dopamin wird vermehrt ausgeschüttet, ebenso wie Oxytocin. Die Person befindet sich also an einem Ort, an dem sie aufmerksam und motiviert ist, zu sprechen (Dopamin) und sich zu verbinden und zu vertrauen (Oxytocin), und sie fühlt sich ruhig und zentriert (Serotonin), bereit und in der Lage, die schwierige Arbeit des Ausgrabens, Durchforstens und Aufarbeitens des Traumas zu leisten. Dieser letzte Teil ist auf eine Dämpfung der von der Amygdala vermittelten Angstreaktion zurückzuführen, die bei Menschen mit PTBS überschießend sein kann.“ (Übersetzung aus dem Englischen mit deepl.com)

    Fast alle Studien erforschen MDMA in der Arbeit mit Menschen, die die Diagnose PTBS bekommen haben. Die Forschung an Entwicklungstrauma scheint noch nicht wirklich Teil der Studien zu sein. Ich persönlich bin allerdings der Meinung, dass auch für die Arbeit mit Entwicklungstrauma – das fast immer auch Elemente von Schock und Überwältigung enthält – hier große Chancen liegen.

    Insgesamt ist die Studienlage zu MDMA gestützter Therapie extrem positiv. Es gibt eine große Menge an Studien an Tieren und diverse Studien an Menschen. Generell zeigt sich, dass MDMA bei richtiger Dosierung und Begleitung gut verträglich und therapeutisch wirksam ist.
    In den Studien (https://www.nature.com/articles/s41591-021-01336-3) zu MDMA und PTBS wird eine signifikante Verbesserung der Symptome festgestellt. Zum Teil ist die Verbesserung so gut, dass Teilnehmende nach dem ersten Mal nicht mehr die Voraussetzungen für die Studie erfüllt haben. Dazu kommt, dass MDMA normalerweise keine Sucht erzeugt, da man es nicht mehrmals hintereinander nehmen kann. Bei der therapeutischen Arbeit mit MDMA muss substanzbedingt eine Pause von mindestens 4 Wochen eingehalten werden. Viele empfehlen eher 2 bis 3 Monate Wartezeit, da die Serotoninspeicher sich durch die Einnahme erschöpfen.

    MDMA ist keine Wunderdroge

    Es gibt viele positive Erfahrungen mit MDMA und ich persönlich hatte auch nur solche (siehe unten). Dennoch ist es wichtig zu wissen, dass therapeutische MDMA Sitzungen ein guter Anfang, auch ein Durchbruch sein können. Aber es braucht dennoch Zeit und Konstanz, um die Folgen von Traumata zu integrieren. Wie bei jeder therapeutischen Intervention ist es auch bei der Nutzung von MDMA in einem therapeutischen Kontext nicht mit einer oder zwei Sitzungen “getan”. Auch die Erfahrungen durch das MDMA können nur in einem längeren therapeutischen Verlauf etwas verändern.
    MDMA heilt Trauma nicht!
    MDMA kann die Möglichkeit öffnen, mit den eigenen Traumata zu arbeiten, sie anders sehen und bewerten zu können und sich selbst mit Mitgefühl zu sehen.
    Das ist ein großer und wichtiger Unterschied.
    Es ist keine Wunderdroge, die alle Symptome zum Schwinden bringt. Aber: Psychotherapie mit MDMA kann für Menschen, die in ihren Symptomen und ihrer Entwicklung feststecken, eine echte Chance bedeuten.

    Es gibt einige Parameter, die mitbestimmen, wie MDMA wirkt. Menschen, die extrem kontrollierend sind und kaum loslassen können, können die Wirkung der Droge praktisch “überschreiben”. Es passiert nichts oder kaum etwas für sie.
    Ebenso scheint es so zu sein, dass MDMA kaum Wirkung zeigt, wenn Menschen einen Mangel an Oxytocin-Rezeptoren haben. Das kann genetisch angelegt sein oder – das muss die Forschung noch herausfinden – durch einen Mangel an früher Bindung entstanden sein. (Quelle: “Good Chemistry” Julie Holland; Studie: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/29912955/)

    Meine persönliche Reise und die Erfahrungen anderer

    Nach langen Überlegungen habe ich mich entschieden, meine eigenen Erfahrungen und die Erfahrungen anderer anzuschließen.
    Die Zitate, die ich im Folgenden eingearbeitet habe, wurden mir freundlicherweise von anderen “Reisenden” zur Verfügung gestellt.
    Sie antworten auf die folgenden Fragen:
    1. Was ist für dich das Besondere an MDMA?
    2. Was war das bedeutendste Erlebnis für dich?
    3. Hat es etwas in deinem Leben/Alltag verändert?
    Der Begriff der Reisenden ist angelehnt an den Begriff der Psychonauten, der in den 1970ern für Menschen entstanden ist, die ihre eigene Psyche und die spirituelle Welt mit Hilfe von Substanzen erforscht haben. Ich persönlich empfinde den Begriff Psychonaut als passend, da ich inzwischen denke, dass die inneren Welten so groß wie unsere äußere Welt und ein ganzes Universum in sich selbst sind – das wir durch Meditation, Innenschau, Therapie und lebenslanges Lernen, aber auch über Substanzen erforschen und bereisen können.

    Wie es für mich begann

    Vor einigen Jahren unterhielt ich mich abends mit einer Teilnehmerin einer Prozessgruppe und sie fragte mich: “Weißt du eigentlich, wie ich zu dir gefunden habe?”
    Nein, wusste ich nicht. Sie erzählte mir, dass sie sich Zeit ihres Lebens total verloren im Leben gefühlt und kaum eine Verbindung zu sich selbst oder anderen Menschen gefühlt hatte. Sie hatte sich – wie viele von uns – auf die Suche gemacht und im Zuge ihrer Suche mit Drogen experimentiert. Sie erzählte mir, dass sie durch MDMA das erste Mal in ihrem Leben eine vage Ahnung bekommen hatte, wie es sich anfühlen könnte, sich verbunden zu fühlen. Nach diesem Erlebnis hat sie sich auf die Suche gemacht, eine Therapeutin oder einen Therapeuten zu finden, die dieses Gefühl von Verbundenheit kennen und ihr vielleicht vermitteln könnten.

    Reisende 1: Das Besondere ist, dass ich meine Gefühle fühlen konnte ohne „hineinzufallen“ – als wenn sie dann mehr im Körper und ursprünglicher zugänglich sind ohne die ganzen Bewertungen und Assoziationen. Angst ist einfach Angst ohne den Drang, damit etwas tun zu müssen.
    Das bedeutsamste Erlebnis war zu fühlen, wie viel in mir eigentlich „heil“ und still ist – und da hin zu können und es mal unabhängig von dem Schmerzhaften, was sich drauf gelegt hat, zu fühlen. Und zu fühlen, wie viel Liebe und Mitgefühl in mir ist, wenn der Kopf nicht alles zerredet.

    Drogen – nein danke!

    Ich fand diese Geschichte sehr spannend, aber ich war immer gegen Drogen.
    Als ich jung war, hatte ich den Impuls, Drogen zu nehmen und glücklicherweise gab es da diese innere Stimme, die mir sagte: “Tu das nicht! Wenn du das machst, bist du verloren!” Ich bin bis heute extrem froh, dass ich auf diese Stimme gehört habe, denn ich weiß, dass ich wirklich verloren gewesen wäre. Hätte ich eine Droge gefunden, die meinen Schmerz gemildert hätte, so wäre ich davon abhängig geworden.
    So habe ich also in meiner Jugend und auch später nie mit Drogen experimentiert, bis auf einen Haschkakao, der mich drei Stunden in einem sich gefühlt drehenden Bett liegen ließ und ich extrem froh war, als es vorbei war und die Welt wieder anhielt. Ich rauche nicht, trinke keinen Alkohol und sogar keinen koffeinhaltigen Kaffee. Diese Welt des Rausches ist mir wirklich fremd und ich stand Drogen jeder Art extrem misstrauisch gegenüber.
    Zum Abschluss der Prozessgruppe schenkte mit diese Teilnehmerin ein kleines Päckchen mit MDMA-Kristallen und einer Gebrauchsanweisung und sagte: “Falls du es mal ausprobieren willst …“
    Das Päckchen faszinierte mich. Aber ich mochte es nicht ausprobieren. Und so lag es einige Jahre in meinem Schrank.

    Reisende 2: Das Besondere an MDMA ist für mich, dass es mir ermöglicht hat, mir selbst und dem, was mir passiert ist, auf einer Ebene zu begegnen, die ich vorher nicht erreichen konnte. Das alles, ohne mich zu überfluten und ohne zu bewerten, dafür mit Mitgefühl und dem Verständnis, dass es bei all dem wirklich um mich geht. Es ist so, als wäre etwas, das vor langer Zeit zerrissen wurde, wieder in Verbindung gekommen.
    Mein schönstes Erlebnis war das Landen im Körper und dieses Leben als Geschenk zu sehen. Direkt damit verknüpft ist ein ehrliches Gefühl von Dankbarkeit.

    2018 las ich dann das Buch von Steven Kotler “Stealing Fire”. Dort geht es unter anderem darum, dass Menschen schon seit jeher Drogen nutzen, um sich selbst und der Natur näher zu kommen. Kotler beschreibt, dass es schon immer ein integraler Teil menschlicher Kulturen war, bewusstseinserweiternde Drogen zu nehmen, um nach Erkenntnissen und Verbindungen zu streben, die uns so nicht zugänglich sind.
    Diese Sicht der Dinge faszinierte mich und brachte mich dazu, mehr zum Thema zu lesen und interessierter zu sein. Ich stieß auf die ersten Studien zur Arbeit mit Trauma und MDMA, die alle sehr positiv waren und mich noch neugieriger machten.

    Ich wollte es selbst erfahren

    Ich war schon immer mein eigenes Versuchskaninchen. Egal, was ich lerne oder lehre, zunächst will ich es selbst erfahren. So wollte ich MDMA eines Tages dann doch ausprobieren.
    Mein erster MDMA-Trip war eine Reise, die mich total überrascht hat. Ich konnte mir vorher einfach gar nicht vorstellen, was ein „altered state“ – ein veränderter Bewusstseinszustand – ist. Ich dachte auch, was soll da schon Neues passieren. Das Gefühl von Verbundenheit kenne ich ja schon und durch einige innere Höllen bin ich auch schon gegangen.
    Als ich die Tablette mit den Kristallen genommen habe, war ich unglaublich aufgeregt. Selbstverständlich habe ich diese Reise nicht alleine unternommen, sondern hatte die ganze Zeit über eine Begleitung.
    Bei der Arbeit mit MDMA gibt es zwei Möglichkeiten der Begleitung. Die eine Möglichkeit ist eine „Sitterin“ zu haben, die zur Seite steht, zuhört, die Hand hält oder Wasser reicht und die ganze Zeit über daneben sitzt. Diese Sitter sollten therapeutisch erfahren sein, eigene Erfahrung mit MDMA mitbringen und dein vollstes Vertrauen genießen.
    Die zweite Möglichkeit ist eine therapeutische Begleitung, bei der die Therapeuten -oftmals sind es zwei Therapeuten – ebenfalls dabei sitzen, zuhören, aber evtl. auch kleinere Interventionen machen.

    Nach der Einnahme saß ich auf dem Sofa und wartete. Und wartete. Irgendetwas sollte ich ja wohl merken. Nach ungefähr 40 Minuten wurde mir dann übel. Das war nun nicht im Plan vorgesehen, scheint aber öfter zu passieren. Der Übergang in diese andere Welt ist manchmal etwas schwierig und es ist möglich, dass Übelkeit auftaucht. Dann fängt das Herz an, stärker zu schlagen, Hunger und Durst verschwinden.
    Und dann war ich da.
    Ich bekam einen tiefen Kontakt zu meiner Kindheit und wie es sich angefühlt hat. Wie furchtbar alleine ich damals war, wie viel Angst ich hatte und wie unglaublich verloren ich war. Ich habe viel geweint und konnte noch einmal mehr verstehen, wo ich herkomme. Ich hatte Mitgefühl mit mir. Das größte Geschenk für mich waren allerdings die Liebe und die Stille, die ich in mir fühlen konnte. Die Stille, die eigentlich in dieser Welt ist und die wir ständig versuchen zu übertönen.

    Reisende 3: Ich kann mein Herz spüren, das ich lieben kann, finde immer mehr ein Zuhause in meinem Körper. Ich fange an, das Leben zu lieben und zu genießen. Ich weiß es nicht, ob ich mit „normaler“ Therapie dahin gekommen wäre. Vielleicht. Vielleicht in 5 oder 10 Jahren?

    Ich hatte auch Momente, wo ich um uns als Menschheit getrauert habe. Wie unglaublich verloren wir sind und wie wütend so viele Menschen sind und wie sehr wir uns verirrt haben.
    Ich konnte die Gewalt fühlen, die ich erlebt habe und darüber trauern.
    Nichts davon war überwältigend, sondern einfach von tiefem Verständnis geprägt. Ich habe meinen Körper noch nie so intensiv und verbunden gefühlt, obwohl ich auch sonst meinen Körper schon gut fühle. Es war so körperlich und hat mich sehr in den Moment gebracht. Und mein Kopf war einfach unglaublich ruhig. Ich bin ganz tief in mich selbst und die Stille gesunken.

    Unter MDMA behält man sein Beobachter-Ich und kann (fast) normal denken und agieren. Es fühlt sich nur alles anders an. Man kann sogar für andere da und auch dort mitfühlend sein.
    Ich muss gestehen, dass MDMA-Reisen mein Leben und Sein zutiefst berührt und auch verändert haben. Inzwischen kann ich die Stille überall mehr fühlen. Und die Liebe ist noch mehr ein Teil meines Lebens geworden. Dafür bin ich unendlich dankbar.

    Der Startpunkt macht einen Unterschied

    Wie immer kommt es auch hier darauf an, von wo man startet. Die Personen, die ich hier im Artikel zitiere, sind alle sehr therapieerfahren und niemand hat die Substanz ohne Begleitung genommen.
    Die Einnahme sollte wirklich immer therapeutisch eingebettet sein. Es kann sein, dass man ein extremes Redebedürfnis bekommt oder Körperkontakt braucht. Dann sollte da jemand sein, der oder die das tun kann.
    Es ist sehr wichtig, die Erfahrungen und Erinnerungen, die eine Sitzung (ca. 4 bis 6 Stunden) gebracht hat, danach zu integrieren. Sonst kann es sein, dass alles wieder verloren geht. In den Studien wird darauf hingewiesen, dass die Wirkung von MDMA hochgradig an die Einbettung in einen therapeutischen Kontext gebunden ist. Davon bin ich persönlich auch überzeugt.

    Die wichtigsten Faktoren bei der Einnahme von psychoaktiven Substanzen sind Set und Setting. Dies weiß man schon aus den Zeiten, in denen MDMA und LSD noch legal therapeutisch verwendet wurden. Das bedeutet: Wie geht es der Person gerade, die die MDMA-Reise antreten möchte, und wie ist die Umgebung, die Begleitung etc. Diese Faktoren sind so wichtig wie die Substanz selbst.

    Hier noch eine berührende Beschreibung einer Reisenden, die in Kontakt mit ihrem sehr frühen sexuellen Missbrauch während MDMA-Sitzungen gekommen ist und diesen dadurch in der Folge verarbeiten konnte:

    Reisende 4: Durch MDMA konnte ich zum ersten Mal echtes Mitgefühl mit mir und meiner Geschichte empfinden. Überhaupt macht es den körperlichen wie auch den gedanklichen Panzer weicher und hat mir so eine Perspektive gegeben, wie sich mein Körper und das Leben anfühlen kann.
    Das zu erreichen war etwas, was ich als Aufgabe mit in meinen Alltag nehmen konnte und was mich motivierte. Die Frage: Wie kann ich diesen entspannten und offenen Zustand auch ohne Substanz herstellen?
    Ich konnte meinen Missbrauch bearbeiten. Da er sehr früh passierte, hatte ich keine expliziten Erinnerungen daran, sondern nur eine diffuse Ahnung und Hinweise durch Dritte. Die Sessions mit MDMA gaben mir die Möglichkeit, klarere Gefühle und Erinnerungen zu bekommen, was nicht immer schön und trotzdem unglaublich heilsam war. Ich fühlte mich sicher und konnte an meinen Körper abgeben, sodass er Impulse nach außen bringen und so die festgehaltene Energie loslassen konnte. Ich konnte das tun, was damals nicht möglich war!
    Seitdem habe ich weniger Nackenschmerzen und Migräne. Außerdem habe ich angefangen, meiner Wahrnehmung zu trauen und mit Menschen über das, was mir passiert ist, zu sprechen. Dadurch fühlt sich mein Leben viel weiter und lebendiger an. Ich habe das Gefühl, immer mehr mit anderen in Kontakt gehen und vertrauen zu können.

    Was nun?

    Mir ist bewusst, dass die Studien und die Berichte Hoffnung machen. Und dass es sein kann, dass du nun frustriert bist, weil es in Deutschland keinen legalen Weg gibt, diese Form von Behandlung zu erhalten. Mir ist es aber ein Anliegen, das Wissen zu verbreiten, damit mehr Menschen ihre Ärzte, Psychiater und Kliniken nach dieser Art von Behandlung fragen und der Druck steigt, diese Möglichkeit auch in Deutschland zu legalisieren.

    Selbstverständlich darf ich dir keine Anleitung zum Gebrauch verbotener Substanzen geben und das möchte ich auch nicht. Da ich aber weiß, wie Menschen sind, möchte ich hier einige Dinge erwähnen, die unbedingt zu beachten sind.

    1. Nimm MDMA nie alleine!
    2. Set und Setting sind unglaublich wichtig und beeinflussen massiv die Erfahrung.
    3. Deine Begleitung sollte unbedingt sowohl therapeutisch als auch mit MDMA Erfahrung haben.
    4. Nimm nie MDMA, wenn du psychisch instabil bist.
    5. Nimm nur reines MDMA und prüfe es unbedingt durch ein Testset.
    6. Sei auf die nachfolgende „Down-Time” gefasst. Es gibt in der Woche nach der Einnahme bei den meisten Menschen die „MDMA-Depression“ /den „MDMA-Blues“. Dies geschieht durch die Erschöpfung der Dopamin- und Serotonin Speicher im Körper und kann sich sehr unangenehm anfühlen.
    7. Beschäftige dich mit dem, was du nehmen willst und warum du es nehmen willst. Lies Fachbücher dazu und werde zu deiner eigenen Expertin. Du hast die Verantwortung für dich und für alles, was du tust.

    Linktext

    Bitte schreibe uns nicht, ob wir solche Begleitungen machen oder ob wir wissen, wie du an MDMA kommst. Momentan gibt es in Deutschland keine legalen Möglichkeiten, MDMA therapeutisch zu nutzen.

    Weitere Informationen und Ressourcen

    https://www.nzz.ch/wissenschaft/die-partydroge-mdma-erweist-sich-als-wirksames-hilfsmittel-in-der-psychotherapie-ld.1624895
    https://mapseurope.eu/
    https://www.nature.com/articles/s41591-021-01336-3#Sec7
    https://taz.de/Drogen-in-der-Psychotherapie/!5568197/
    https://en.wikipedia.org/wiki/MDMA
    https://nida.nih.gov/publications/drugfacts/mdma-ecstasymolly
    https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/27859780/
    https://www.nature.com/articles/s41591-021-01336-3

    Podcast

    Hier spreche ich mit Kathie Kleff unter anderem über MDMA: Antenne Bayern – Get Happy – 12.05.2023

    Filme

    Wer Klienten bei ihrer Heilung unter MDMA zuschauen möchte, kann dies in diesem sehr berührenden, aber auch herausforderndem Film tun: Trip of compassion
    Netflix: “How to change your mind”

    Bücher

    Good Chemistry. The Science of Connection, from Soul to Psychedelics, Julie Holland
    Trust Surrender Receive: How MDMA Can Release Us From Trauma and PTSD, Anne Other
    Ecstasy: The Complete Guide: A Comprehensive Look at the Risks and Benefits of MDMA, Julie Holland
    A Dose of Hope: A Story of MDMA-Assisted Psychotherapy, Dr. Dan Engle & Alex Young
    Verändere dein Bewusstsein: Was uns die neue Psychedelik-Forschung über Sucht, Depression, Todesfurcht und Transzendenz lehrt, Michael Pollan & Thomas Gunkel

    Hinweis zu Studien zu MDMA und Entwicklungstrauma

    Der folgende Inhalt wurde mir von einem aufmerksamen Leser zugesandt. Ich stelle es euch hier zur Verfügung:

    „Ein Hinweis dazu. Du schreibst: „Die Forschung an Entwicklungstrauma scheint noch nicht wirklich Teil der Studien zu sein.“ Ich glaube, das ist nicht mehr aktuell. In der zweiten Phase-3-Studie von MAPS hatten 84% der Studienteilnehmer ein Entwicklungstrauma. MAPS hat die Ergebnisse in „Nature Medicine“ veröffentlicht. Hier ein Screenshot:

    Artikel Nature Medicine

    Die komplette Studie findest du hier: https://www.besselvanderkolk.com/uploads/docs/MDMA-PTSD-study.pdf

    Bessel van der Kolk war übrigens Forschungsdirektor (Prinzipal Investigator) in einer der Study-Sites. Er sagt zu MDMA-Therapie in einem Podcast-Interview: „I’ve done research for 50 years, and I’ve never seen anything like it. It is stunning. … You get these transformations that I have not seen with any other treatment. … it is really more profound than anything else we have done (to heal trauma).“
    Hier findest du das komplette Interview: https://psykologvirke.no/fagstoff/mdma-assisted-therapy-ptsd-bessel-van-der-kolk/

    Und noch ein Vortrag zu den Ergebnissen der Phase-3-Studie: „Bessel van der Kolk – Understanding and Healing Trauma Through Psychedelic-assisted Therapy

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