Trauma und Drama

Wie das Gehirn durch Trauma süchtig wird

Traumatisierungen führen zu einem ständigen auf- und ab im Lebensgefühl. Der Alltag wird zu einem emotionalen Chaos. Überhaupt scheinen es ständig zu viel oder zu wenig Emotionen zu sein. Leider führt diese Dysregulation oft zu sehr viel Unruhe im Leben, vor allem in zwischenmenschlichen Beziehungen.

Dies hat nichts mit eigener „Unfähigkeit“ zu tun, sondern damit, dass Emotionen einerseits sehr schwer zu regulieren sind und uns schnell aus dem Toleranzfenster bringen können (Wenn du etwas über das Toleranzfenster erfahren möchtest, lies hier: Was ist ein Trauma?). Andererseits kann es aber auch eine damit verbundene „Sucht“ nach großen Gefühlen geben.

Man geht heute davon aus, dass Menschen, die in jungen Jahren sehr viel Stress ausgesetzt waren, sich an die Endorphinausschüttung gewöhnen, die immer mit der Adrenalinausschüttung einhergeht. Das Gehirn wird quasi süchtig und verlangt nach der Droge Endorphin.

Hinzu kommt, dass man sich schnell damit identifizieren kann, dass man eben ein besonders emotionaler oder leidenschaftlicher Mensch ist. Wir gehen dann davon aus, dass dies ein Charakterzug ist, mit dem andere zurecht kommen müssen.

Dramatische Inszenierungen können so Teil des Alltags werden, vergiften aber oftmals gerade nahe Beziehungen. Ein bekanntes Beispiel solcher Inszenierungen ist das Dramadreieck, welches sich vorrangig durch eine besonders brisante Beziehungsdynamik bemerkbar macht.

Drama sind unregulierte Emotionen

Was haben Dramatik und Trauma miteinander zu tun? Um das zu verstehen, muss man sich damit beschäftigen, was traumatische Erlebnisse in uns auslösen. Zunächst hinterlassen sie große Schwierigkeiten Emotionen zu regulieren. Das bedeutet wir verlieren unsere Fähigkeit zur Selbstregulation. Das ist leider eine generelle Folge von Traumatisierungen und der Knackpunkt, an dem ich mit meiner Arbeit ansetze.

Emotionen können zerstörerisch sein

Ein Aspekt davon ist, Emotionen zu regulieren, und zwar so, dass sie für mich noch angenehm und auch situationsangepasst sind. Vielleicht magst Du sagen, Du willst nicht immer angepasst sein, aber darum geht es mir nicht. Es geht nicht um eine gesellschaftliche Anpassung, sondern darum, dass ich Freunde behalten kann, dass ich eine Beziehung so führen kann, dass sie allen Beteiligten Freude macht. Dafür muss ich Emotionen regulieren können. Auch gegenüber Kindern willst Du nicht aus der Haut fahren und unangemessen reagieren, womöglich in Form von verbaler oder körperlicher Gewalt.

In all diesen Bereichen ist es wichtig zu lernen unsere Emotionen sinnvoll und situationsangepasst zu regulieren. Das ist gar nicht so einfach, wie es sich anhört. Was wir dafür brauchen, ist viel Selbstbeobachtung und Übung, ganz viel Übung.

Drama ist nicht zu verwechseln mit Lebendigkeit

Interessanterweise empfinden viele Menschen, die zu einer emotionalen Dramatik neigen, diese als Motor für ein spannendes Leben. Sich davon abzuwenden, wäre ja stinklangweilig. So gibt es praktisch eine Dramasucht.

Es handelt sich tatsächlich um eine Sucht! Denn jedes Mal, wenn bei uns starke Gefühle ausbrechen, schüttet unser Körper sowohl Adrenalin als auch Endorphine aus. Endorphine sind so stark wie Heroin. Es sind körpereigene Morphine, die eigentlich dafür da sind, dass wir in einer Gefahrensituation, wenn wir angegriffen werden, keine Schmerzen mehr haben. Dasselbe passiert bei Unfällen: So kommt es, dass Menschen selbst schwer verletzt noch um Hilfe rufen können, weil sie den Schmerz nicht fühlen können.

Das Gehirn wird süchtig

Dies betrifft auch Kinder, die in hochstressigen Haushalten aufwachsen. Sie werden förmlich immer wieder mit Adrenalin und Endorphinen überflutet, wenn es Zuhause Stress gibt. Heute weiß man, dass das Gehirn nach diesem Kick süchtig wird. Dementsprechend suchen wir, auch wenn wir älter sind, stressige Situationen oder kreieren ein Drama, weil unser Gehirn nach dem Endorphin-Kick strebt.

Selbst Therapien können süchtig machen

Diesen Kick können wir uns auf verschiedene Arten und Weisen holen. Manche machen Sport bis zum Umfallen, andere streiten in Beziehungen. Auf jeden Fall scheinen wir in Alltagssituationen immer wieder diesen Kick zu provozieren. Das funktioniert auch mit kathartischen Therapien, wo man ausagiert und Kissen vermöbelt oder solchen, die tief ins Dramatische gehen. Auch davon kann man süchtig werden, weil der Körper immer wieder Endorphine ausschüttet.

Beziehungen sind oft ein Ort der Dramatik

Der erste Schritt ist, zu erkennen, dass ich ein wenig abhängig bin von dem Drama. Das bedeutet, dass ich mein Leben ohne Dramatik schnell als langweilig empfinde und deswegen Dramen inszeniere. Beziehungen sind natürlich ideal dafür, weil sie sowieso ganz viel antriggern, wie unsere Geschichte und unsere Bindungsmuster. Deswegen kommt diese Endorphinsucht dort häufig ganz besonders zur Geltung.

Jede Sucht ist schwer zu lösen

Wichtig ist, dass Du weißt, dass es diesen Mechanismus gibt. Bitte glaube deswegen nicht, dass Du merkwürdig bist, sondern akzeptiere diesen Mechanismus in deinem Körper. Er aktiviert sich immer wieder von selbst, weil Du es durch traumatischen Erfahrungen so gespeichert hast.

Da herauszukommen ist tatsächlich wie bei jeder Sucht eine Entwöhnung. Beobachte dich zunächst und versuche dann mit viel Geduld hier und da deiner Dramatik bewusst zu werden. Beruhige dich innerlich und stelle fest, dass Du dich nach und nach besser regulieren kannst.

Über diese Zusammenhänge ist das heutige Video:

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