Trauma und Emotionen in der Kommunikation

Wie Trauma den Gefühlsausdruck beeinflusst

Traumatische Erlebnisse beeinflussen das emotionale Erleben eines Menschen auf vielerlei Ebenen. Es beeinflusst aber unter Umständen auch das emotionale Leben im sozialen Umfeld und das ist vielen so nicht bewusst.

Kommunikation ist 85% Körpersprache

Soziale Interaktion ist ein sehr feiner Prozess. Wir nehmen unendlich viele Informationen in einer Kommunikation wahr und die meisten Informationen werden nur unbewusst verarbeitet. Wir werden nur aufmerksam, wenn etwas nicht funktioniert und die Interaktion für uns nicht mehr stimmig ist.

Ein Traumahintergrund kann den emotionalen Ausdruck eines Menschen verändern und manchmal einschränken. Als Gegenüber haben wir dann das Gefühl nicht wirklich gehört oder verstanden zu werden. Wir fangen an uns in der Kommunikation mit anderen unwohl zu fühlen.

Dies geschieht, wenn die Abstimmung zwischen Körpersprache, Gesichtsausdruck und den Worten nicht kongruent ist oder wenn ein Mensch scheinbar nicht auf das reagiert, was wir sagen.

Je lebendiger das Gesicht eines Menschen ist und je mehr wir in diesem Gesicht eine angemessene Reaktion auf unsere Worte sehen, desto wohler fühlen wir uns mit ihr. Es ist sogar so, dass unser Gefühl von Sicherheit mit der Person davon beeinflusst wird und wir uns in deren Gegenwart mehr entspannen.

Haben wir dagegen das Gefühl unser Gegenüber reagiert nicht angemessen auf das, was wir erzählen, fangen wir an uns „komisch“ zu fühlen. Wir vermissen das Feedback im Gesicht unseres Gesprächspartners und fühlen uns alleine gelassen und unverstanden. Wir haben das Gefühl kein „Echo“ zu bekommen und werden unsicher.

Der Gefühlsausdruck gibt uns Sicherheit

Ein „blankes Gesicht“ macht uns Angst, weil wir nicht mehr sehen können, was unser Gegenüber denkt oder fühlt.

Hierzu gibt es ein berühmtes Experiment, in dem man sieht, wie verstörend es für Kleinkinder ist in ein „blankes“ Gesicht zu schauen. Das Still-Face Experiment von Ed Tronick: Still Face Experiment: Dr. Edward Tronick

Man kann traumatisierte Menschen daran erkennen, dass ihr Gesichtsausdruck manchmal eingefroren und für sie selbst kaum fühlbar oder modulierbar. Dies kann dann zu einer negativen sozialen Feedback-Schleife führen und so kann zu der inneren Einsamkeit noch die soziale Einsamkeit dazu kommen.

Emotionen in der Körpersprache

Emotionen und Emotionalität drücken sich zu großen Teilen über Körpersprache aus, über Gestik, über Mimik. Unser Gesicht ist dabei eines der wichtigsten Instrumente. Selbst, wenn Du mich nur am Bildschirm siehst, liest Du meine Mimik und schaust, ob sie zu dem passt, was ich sage. Du hast ein Gefühl dafür, ob meine Bewegungen und mein Blick kongruent, also deckungsgleich mit dem sind, was ich erzähle.

Inkongruente Kommunikation

Problematisch wird, wenn die Mimik von traumatisierten Menschen etwas verschoben oder undeutlich ist. In diesem Fall kann bei dem Gegenüber Misstrauen entstehen. Zum Beispiel machen Menschen, die nicht gut hören und verzögert reagieren, das Gegenüber sofort unruhig. Stell Dir vor, Du sagst etwas und ich brauche eine Zehntelsekunde länger als gewöhnlich, um mimisch auf das Gesagte zu reagieren. Genau, es ist stressauslösend für Dich, weil Du plötzlich nicht mehr weißt, woran Du bist.

Manchmal entsteht auch der Eindruck die Person ist etwas ’schwer von Begriff‘, weil im Gesicht keine angemessene Reaktion sichtbar ist.

Trauma und Körpersprache

Während wir viel über Tonalität kommunizieren, finden 85% der Kommunikation nonverbal statt. Der nonverbale Teil beinhaltet mein Gesicht, meine Mimik, wie ich mich bewege und was Du darin lesen kannst. Diese Kommunikation ist sehr, sehr fein aufeinander eingestellt.

Traumatische Erfahrungen können diese Feinabstimmung manchmal unterbrechen, was bei einigen Menschen vorkommt. Starke Traumatisierungen frieren die Mimik ein, besonders die Stellen um die Augen. Dort wirkt die Haut dann wie glattgezogen. Das bedeutet leider, dass ich in meiner Kommunikation nicht ankomme, wenn ich mit Dir spreche. Beispielsweise berichte ich Dir von meinem schönen Tag, den ich gestern hatte. Ich schmücke meine Erzählungen aus, aber ich kann das Gefühl, dass ich einen schönen Tag hatte, nicht transportieren. Meine Mimik bleibt gleich, obwohl ich eigentlich lächeln und Lebendigkeit ausstrahlen sollte. In diesem Fall ist meine Mimik nicht kongruent, mit dem, was ich sage und ich komme nicht bei Dir an.

Viele Menschen wissen nicht über sich selbst, dass ihnen der mimische Teil der Kommunikation nicht gelingt. Sie fragen sich deshalb oft, warum andere sozial nicht auf sie zugehen und warum der Kontakt nicht so richtig stattfindet. Das liegt daran, dass sich eine starke Traumatisierung oft auch auf die Gesichtsmimik auswirkt, sie einfriert und es zu einer Art von Affektarmut im Ausdruck kommt. Dieser Ausdruck wiederum führt dann zu einer sozialen Negativschleife. Das ist ziemlich tragisch, denn man möchte sich gerne mitteilen und hat das Gefühl, das Gegenüber nimmt das nicht so wahr oder nicht so ernst, wie man es eigentlich meint. Dadurch entstehen Misskommunikation, Frustration und soziale Resignation. Trauma macht ohnehin schon einsam und die mimische Unfähigkeit macht es praktisch noch schlimmer.

Hinter die Fassade sehen

Letztendlich kannst Du so etwas nur herausfinden, indem Du die Leute, die Du ein wenig besser kennst, einfach fragst. Haben sie das Gefühl, Dein Gesicht ist lebendig. Haben sie das Gefühl, sie kommen mit Dir in Kontakt? Lass Dir einfach Feedback geben, das ist nichts Schlimmes. Dann hörst Du, ob es für Dich zutrifft, ob Kontakt Dich stresst. Probiere es einfach einmal aus, es ist hilfreich dies über Dich zu wissen. Auch andersherum: Wenn Du anderen Menschen begegnest, die vielleicht nicht so ein lebendiges Gesicht haben, solltest Du diese Informationen im Kopf haben. Denke dann daran, dass die Person trotzdem Gefühle und Bedürfnisse hat, diese aber nicht in der gewohnten Mimik ausdrücken kann.

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