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Trauma und Emotionen in der Kommunikation

von | 04.05.2018 | 11 Kommentare

Wie Trauma den Gefühlsausdruck beeinflusst

Traumatische Erlebnisse beeinflussen das emotionale Erleben eines Menschen auf vielerlei Ebenen. Es beeinflusst aber unter Umständen auch das emotionale Leben im sozialen Umfeld und das ist vielen so nicht bewusst.

Kommunikation ist 85% Körpersprache

Soziale Interaktion ist ein sehr feiner Prozess. Wir nehmen unendlich viele Informationen in einer Kommunikation wahr und die meisten Informationen werden nur unbewusst verarbeitet. Wir werden nur aufmerksam, wenn etwas nicht funktioniert und die Interaktion für uns nicht mehr stimmig ist.

Ein Traumahintergrund kann den emotionalen Ausdruck eines Menschen verändern und manchmal einschränken. Als Gegenüber haben wir dann das Gefühl nicht wirklich gehört oder verstanden zu werden. Wir fangen an uns in der Kommunikation mit anderen unwohl zu fühlen.

Dies geschieht, wenn die Abstimmung zwischen Körpersprache, Gesichtsausdruck und den Worten nicht kongruent ist oder wenn ein Mensch scheinbar nicht auf das reagiert, was wir sagen.

Je lebendiger das Gesicht eines Menschen ist und je mehr wir in diesem Gesicht eine angemessene Reaktion auf unsere Worte sehen, desto wohler fühlen wir uns mit ihr. Es ist sogar so, dass unser Gefühl von Sicherheit mit der Person davon beeinflusst wird und wir uns in deren Gegenwart mehr entspannen.

Haben wir dagegen das Gefühl unser Gegenüber reagiert nicht angemessen auf das, was wir erzählen, fangen wir an uns „komisch“ zu fühlen. Wir vermissen das Feedback im Gesicht unseres Gesprächspartners und fühlen uns alleine gelassen und unverstanden. Wir haben das Gefühl kein „Echo“ zu bekommen und werden unsicher.

Der Gefühlsausdruck gibt uns Sicherheit

Ein „blankes Gesicht“ macht uns Angst, weil wir nicht mehr sehen können, was unser Gegenüber denkt oder fühlt.

Hierzu gibt es ein berühmtes Experiment, in dem man sieht, wie verstörend es für Kleinkinder ist in ein „blankes“ Gesicht zu schauen. Das Still-Face Experiment von Ed Tronick: Still Face Experiment: Dr. Edward Tronick

Man kann traumatisierte Menschen daran erkennen, dass ihr Gesichtsausdruck manchmal eingefroren und für sie selbst kaum fühlbar oder modulierbar. Dies kann dann zu einer negativen sozialen Feedback-Schleife führen und so kann zu der inneren Einsamkeit noch die soziale Einsamkeit dazu kommen.

Emotionen in der Körpersprache

Emotionen und Emotionalität drücken sich zu großen Teilen über Körpersprache aus, über Gestik, über Mimik. Unser Gesicht ist dabei eines der wichtigsten Instrumente. Selbst, wenn Du mich nur am Bildschirm siehst, liest Du meine Mimik und schaust, ob sie zu dem passt, was ich sage. Du hast ein Gefühl dafür, ob meine Bewegungen und mein Blick kongruent, also deckungsgleich mit dem sind, was ich erzähle.

Inkongruente Kommunikation

Problematisch wird, wenn die Mimik von traumatisierten Menschen etwas verschoben oder undeutlich ist. In diesem Fall kann bei dem Gegenüber Misstrauen entstehen. Zum Beispiel machen Menschen, die nicht gut hören und verzögert reagieren, das Gegenüber sofort unruhig. Stell Dir vor, Du sagst etwas und ich brauche eine Zehntelsekunde länger als gewöhnlich, um mimisch auf das Gesagte zu reagieren. Genau, es ist stressauslösend für Dich, weil Du plötzlich nicht mehr weißt, woran Du bist.

Manchmal entsteht auch der Eindruck die Person ist etwas ’schwer von Begriff‘, weil im Gesicht keine angemessene Reaktion sichtbar ist.

Trauma und Körpersprache

Während wir viel über Tonalität kommunizieren, finden 85% der Kommunikation nonverbal statt. Der nonverbale Teil beinhaltet mein Gesicht, meine Mimik, wie ich mich bewege und was Du darin lesen kannst. Diese Kommunikation ist sehr, sehr fein aufeinander eingestellt.

Traumatische Erfahrungen können diese Feinabstimmung manchmal unterbrechen, was bei einigen Menschen vorkommt. Starke Traumatisierungen frieren die Mimik ein, besonders die Stellen um die Augen. Dort wirkt die Haut dann wie glattgezogen. Das bedeutet leider, dass ich in meiner Kommunikation nicht ankomme, wenn ich mit Dir spreche. Beispielsweise berichte ich Dir von meinem schönen Tag, den ich gestern hatte. Ich schmücke meine Erzählungen aus, aber ich kann das Gefühl, dass ich einen schönen Tag hatte, nicht transportieren. Meine Mimik bleibt gleich, obwohl ich eigentlich lächeln und Lebendigkeit ausstrahlen sollte. In diesem Fall ist meine Mimik nicht kongruent, mit dem, was ich sage und ich komme nicht bei Dir an.

Viele Menschen wissen nicht über sich selbst, dass ihnen der mimische Teil der Kommunikation nicht gelingt. Sie fragen sich deshalb oft, warum andere sozial nicht auf sie zugehen und warum der Kontakt nicht so richtig stattfindet. Das liegt daran, dass sich eine starke Traumatisierung oft auch auf die Gesichtsmimik auswirkt, sie einfriert und es zu einer Art von Affektarmut im Ausdruck kommt. Dieser Ausdruck wiederum führt dann zu einer sozialen Negativschleife. Das ist ziemlich tragisch, denn man möchte sich gerne mitteilen und hat das Gefühl, das Gegenüber nimmt das nicht so wahr oder nicht so ernst, wie man es eigentlich meint. Dadurch entstehen Misskommunikation, Frustration und soziale Resignation. Trauma macht ohnehin schon einsam und die mimische Unfähigkeit macht es praktisch noch schlimmer.

Hinter die Fassade sehen

Letztendlich kannst Du so etwas nur herausfinden, indem Du die Leute, die Du ein wenig besser kennst, einfach fragst. Haben sie das Gefühl, Dein Gesicht ist lebendig. Haben sie das Gefühl, sie kommen mit Dir in Kontakt? Lass Dir einfach Feedback geben, das ist nichts Schlimmes. Dann hörst Du, ob es für Dich zutrifft, ob Kontakt Dich stresst. Probiere es einfach einmal aus, es ist hilfreich dies über Dich zu wissen. Auch andersherum: Wenn Du anderen Menschen begegnest, die vielleicht nicht so ein lebendiges Gesicht haben, solltest Du diese Informationen im Kopf haben. Denke dann daran, dass die Person trotzdem Gefühle und Bedürfnisse hat, diese aber nicht in der gewohnten Mimik ausdrücken kann.

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11 Kommentare

  1. Leider ist es mir bisher unmöglich gewesen in direkten Kontakt mit euch zu kommen.
    Das bedauere ich sehr, da mir eine Kommunikation ausschließlich über das Internet nicht reicht.

    Antworten
    • Hallo Michael, wir bieten auch Präsenzgruppen an. Du findest das Angebot hier auf der Seite unter Psychotherapie. Ansonsten haben wir momentan keine Angebote, da ich keine Einzeltherapien mehr gebe.
      Die Gruppen sind am WE und vielleicht es das ja was für dich.
      Herzliche Grüße, Dami

      Antworten
  2. Es kann auch folgende Wirkung durch Trauma entstehen.
    Wenn Kinder sehr früh traumatisiert werden, sind sie stark davon abhängig,
    ihr Gegenüber richtig und rechtzeitig zu lesen. Das kann Überlebenswichtig sein.
    Dadurch können manche als Erwachsene sogar besonders einfühlsam sein.

    Auch wenn die Mimik nicht eingefroren ist kann sie Probleme machen wenn sie nicht kongruent ist.
    Wenn mann in der Kindheit gelernt hat, sicherheitshalber stets einen freundlichen
    und lieben Gesichtsausdruck zu shaben, um traumatische Situationen zu verhindern,
    kann man später Schwierigkeiten damit haben, Grenzen mit dem nötigen Nachdruck
    durchzusetzen. Auch hier kann Feedback helfen
    LG

    Antworten
    • da kann ich nur zustimmen, ich würde sagen, dass ich super gelernt hab, total lebendig zu wirken, und einen „emotionalen“ gesichtsausdruck zu haben…

      und trotzdem kenne ich genau dieses „gefühl“ von eingefroren sein, um die wangenknochen/ unter den augen… verrückt.

      emotionale traumatisierung durch „gehypt“ werden… das kann auch passieren…

      ich hab ganz viel angst davor, meine wahren gefühle überhaupt kennenzulernen und zu zeigen… vielleicht bin ich dann nicht mehr so nett und hilfsbereit und positiv, wie mich alle sehen… sehr schmerzhafte erkenntnis…

      Antworten
  3. Hallo Dami,

    ich habe seit einigen Monaten ganz oft Momente, in denen ich Probleme mit dem Eingefrorensein habe. Ich habe keine Kontrolle mehr über meinen Gesichtsauadruck und über meine Emotionen. Obwohl ich immer sehr gut im Überspielen war. Das funktioniert nicht mehr.. was könnten die Gründe sein und was kann ich dagegen tun? Mein Umfeld sieht es immer mehr.

    Antworten
    • Hallo Maya, sicher wäre es da gut dir kompetente Unterstützung zu suchen. Grundsätzlich ist es ja sinnvoll, wenn du wieder „auftaust“, doch sollte dies nicht ein Gefühl von völligem Kontrollverlust mit sich bringen.
      Herzliche Grüße, Dami

      Antworten
  4. Hallo Dami

    das habe ich jetzt bei einer systemisch arbeitenden Therapeutin. Ich merke, wie viel sich tut, was aber nicht sehr angenehm ist. Mir würde helfen, mehr über dieses allgemeine Auftauen zu erfahren. Gibt es dazu verständliche Literatur? Und woran erkenne ich, dass es Auftauen ist und ich nicht gerade völlig am Rad drehe?

    Liebe Grüsse

    Antworten
    • Liebe Maya, schön, dass du weiter kommst! Ich wünsche dir viel Kraft und auch Freude für den Weg! Leider kenne ich keine Literatur zu dem Thema. Für mich ist wichtig, dass Klienten zwar auch schwierige Zeiten erleben, aber immer auch gleichzeitig davon berichten können, dass der „Himmel blauer wird“.
      Also, dass beide Seiten des emotionalen Spektrums mehr werden und nicht nur die schmerzhafte. Sollte das der Fall sein, musst du mit der Therapeutin reden, dass es zu schnell geht und mehr integrative Arbeit gemacht werden muss. Manchmal deckt man in Therapie zu schnell zu viele Themen auf, das kann dann auch desintegrierend wirken. Das möchte ich persönlich möglichst immer vermeiden mit meinen Klienten. Ich hoffe, du verstehst, was ich meine. Herzliche Grüße, Dami

      Antworten
  5. Hey Danke fuer die schoene Zeit auf dieser Webseite.
    Macht weiter bitte so. Da komme ich gerne wieder.

    Antworten
  6. Hallo Dami, ich arbeite als systemischer Coach und habe Dein Buch gelesen „Auch alte Wunden können heilen“ dabei bin ich auf die Körpersprache aufmerksam geworden. Leider finde ich keine vertiefende Literatur – hättest Du eine Empfehlung für mich? Und noch eine Frage, Du schilderst in dem Buch dass Du anhand der Körpersprache eines Teilnehmers ablesen konntest, dass er eine schwierige Geburt hatte, das interessiert mich sehr.
    Vielen Dank im Voraus, Renate

    Antworten
    • Hallo Renate, es geht dabei nicht um die Körpersprache, sondern um die Körperstruktur. In meinen Onlinefortbildugen bilde ich dazu aus (therapeuten.traumaheilung.de) Ansonsten müsstest du mal schauen, was es an Literatur gibt… das ist leider nicht so viel. Herzliche Grüße, Dami

      Antworten

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