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Trauma und Meditation

von | 07.07.2017 | 9 Kommentare

Meditation wird in vielen therapeutischen Kontexten als Hilfsmittel angeboten, um sich selbst zu regulieren. Viele Menschen beschäftigt also die Frage, ob Meditation eine gute Hilfe in der therapeutischen Entwicklung ist oder nicht. Diese Frage lässt sich nicht pauschal mit „ja“ oder „nein“ beantworten.

Der Körper und die Gefühlsvergangenheit

Viele Menschen mit Traumatisierungen sind meist kaum in der Lage sich mit ihrem Körpergefühl zu verbinden. Es ist ein Schutzmechanismus nicht mit den Gefühlen und Schmerzen, die wir mal erlitten haben, konfrontiert zu werden. Denn unser Körper hat all diese Informationen von Schmerz und Leid gespeichert und wir möchten nicht daran erinnert werden. Sobald wir mehr in den Körper gehen und zur Ruhe kommen, kommen diese Gefühle und Schmerzen unkontrolliert wieder zutage. Deswegen meiden viele Menschen auch die Entspannung. (Hier gebe ich dir weitere Informationen zum Thema Trauma und Schmerzen.)

Meditation und Körperwahrnehmung

Bei der Meditation kommen wir nun einerseits in einen sehr ruhigen Zustand, in dem die Wahrnehmung der im Körper gespeicherten Gefühle besonders groß ist. Andererseits führt die Abgespaltenheit vom eigenen Körper auch zum Hang zur Dissoziation, zum Hang in „Trance“ zu gehen und gar nicht da zu sein, wo ich gerade bin.

Die Dissoziation hat im Moment der Traumatisierung begonnen und beschreibt den Schutzmechanismus. Wir spalten uns von dem Körper ab, dem genau dieses schreckliche Ereignis widerfährt und wollen nicht gern mit ihm verbunden sein und ihn und damit die Schmerzen wieder spüren.

In der Meditation kann es also sein, dass ich mich noch vermehrt in diesen Abspaltungszustand der Dissoziation begebe. Statt mich wirklich komplett zu fühlen, bin ich in Gedanken dann immer irgendwo anders und schweife ab. In dem hier beschriebenen Szenario verstärkt die Meditation also die Dissoziation und fördert, dass die betroffene Person nur noch im Kopf ist. Dabei besteht die Gefahr in noch tiefere dissoziative Zustände zu gleiten und überhaupt nicht mehr anwesend zu sein. Und das ist genau das Gegenteil von dem, was erreicht werden sollte, denn damit entfernt sich die Person vom Leben und ihrer Lebendigkeit.

Spürst Du beim Meditieren die ganze Zeit Deinen Körper und kannst sagen wo es warm und kalt ist, wo fest und wo locker, scheinst Du gut mit Deinem Körper verbunden zu sein. Auf diese Weise hat die Meditation eine ganz andere Wirkung als im obigen Fall. Denn so zentriert sie Dich mehr im Hier-und-Jetzt. Das ist dann ganz wunderbar oder kann auf jeden Fall hilfreich sein.

Alternative zur Meditation bei Traumatisierungen

Man muss also überprüfen, ob man in der Lage ist auf eine Körper-verbindende Art zu meditieren oder nicht. Vielen von Trauma betroffenen Menschen liegt dies nicht. Sie möchten am liebsten gar nicht da sein und beschäftigen sich dann auch während der Meditation lieber mit Phantasien. Denjenigen würde ich persönlich raten, lieber etwas zu tun, was sie physisch anstrengt, also irgendetwas wo man wirklich den Körper spüren muss und nicht nur im Kopf unterwegs ist. Denn letzteres verstärkt nur die dissoziativen Zustände und entspricht überhaupt nicht dem Grundgedanken der Meditation.

Empfehlen kann ich dann z.B. einen Spaziergang zu machen oder sich abzuklopfen. Natürlich kann es auch intensiviert werden, indem man seine Muskeln richtig anstrengt. Das kann sehr hilfreich sein, da dabei der Körper in den Vordergrund gerückt wird. Wir bekommen außerdem physischen Halt, der gerade für Menschen mit Traumatisierung sehr wichtig ist.

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9 Kommentare

  1. Wäre es denn möglich, dass man während der Meditation seine Gedanken und Gefühle passiv als Betrachter wahrnimmt, man dadurch lernt während und nach der Meditation mit diesen umzugehen, durch das Erfassen und dem umgehen vielleicht sogar der Knoten auflöst weil man bis fast an die Wurzel der Auslöser kommt? Liebe Grüße Robert und danke für ihre vielen und tollen öffentliche Beiträge!

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    • Lieber Robert,
      ich persönlich glaube das nicht, aber da gibt es sicher auch andere Ansichten. Insofern kann ich dir da nur eine Meinung anbieten und keine Gewissheiten. Ich denke, du musst beobachten, ob es dir stetig in deinem Leben besser geht oder nicht. Das ist ja der letztendliche Maßstab für alles, oder?
      Herzliche Grüße,
      Dami

      Antworten
  2. Ich kann wirklich nur Transzendentale Meditation empfehlen, vor allem bei PTBS. Mir hilft diese sehr und ich fühle mich damit täglich besser.
    Liebe Grüße

    Antworten
  3. Mit der Transzendentalen Meditation habe ich leider die gegenteilige Erfahrung gemacht. Sie ging bei mir sozusagen „nach hinen los“. Ich wurde nervlich und emotional destabilisiert, habe die Gefühle aus meinen Traumata erlebt, ohne die Inhalte bzw. Zusammenhänge zu verstehen.

    liebe Grüße

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  4. Ich kann diesen Text als selbst nun langjährig meditierender und Trauma-Opfer gut nachspüren. In einer Gruppe mit sehr achtsamen Menschen war / ist es oft viel mehr der Kontakt den ich habe als das „meditieren“, das mir viele Entwicklungsschritte brachte. Ich fühle mich in deinen Worten oft gesehen, Dami.

    Antworten
  5. Was Dami schreibt, kann ich nur bestätigen: Habe mich jahrelang mit Zen und Achtsamkeit „abgeplagt“ und jetzt bei yoga und spazierengehen meinen Platz gefunden. Dabei geholfen hat mir Somatic Experiencing, eine Traumatherapiemethode, die v.a. über den Körper rangeht.

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  6. Zazen hat in meinem Fall sehr früh zu einer Erleuchtungserfahrung (Form ist Leere, Leere ist Form) geführt, die mir unabhängig von traumatischen Kindheitserfahrungen und Karma (geerbt) heutzutage den Umgang mit dem Alltag an sich oft erleichtert.

    Während der Meditation wurden Erinnerungen an alte Verletzungen (auch Trauma) wieder bewusster und verständlicher.

    Unabhängig von Meditation braucht es meiner Erfahrung nach viel Raum und Zeit für sich allein, und die Natur, zur Heilung.

    Meine unterdrückte Wut habe ich über Hypnose weitestgehend auflösen können.

    Durch ZAzen löst sich zum einen das Ego auf, das man aus psychologischer Sicht hingegen oft „gesund“ aufbauen möchte.

    Aus Sicht von Zen ist Ego, „Ich“, eine Krankheit des Geistes.

    Im Grunde ist Zazen somit manchmal ein Gegenspieler.

    Nicht immer einfach.

    Ich selbst würde heute eine klassische Traumatherapie (EMDR, NARM, etc.) zuerst empfehlen und danach erst eine spirituelle Weiterentwicklung..

    Alles Gute, Gesunde, Liebe und inneren Frieden

    Antworten
  7. Danke für diesen Text. Mir wurde immer wieder vermittelt, meine innere Abwehr gegenüber sämtlichen körperbezogenen Entspannungsübungen entspräche einer fehlenden Bereitschaft, gesund zu werden. Dass aber die Trennung von meinem Körper das einzige ist, was mir geholfen hat, zu überleben und ich sie brauche, nicht nur, um zu funktionieren, sondern auch, damit nicht alles, was ich mit so viel Kraft aufrecht erhalte, in sich zusammenfällt, das wurde nicht verstanden. Es tut gut zu lesen, dass es auch anderen Menschen so geht, die ein schweres Trauma erlebt haben und dass es okay ist, dass etwas, was häufig eine gute Lösung ist, nicht auch meine Lösung sein muss. Danke!

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  8. Dies schreibe ich mir auch selbst, da alles aus eigenen Erleben kam.
    Meine Erfahrung ist, einem Traumata entkommt man nicht.
    Auf einem intensiveren Zen Übungsweg wahrscheinlich schon gar nicht.
    Und im Leben letztendlich auch nicht.
    Das Wichtigste ist einen guten Umgang mit sich und diesen vergangenen Prägungen zu finden.
    Sehr vorsichtig und achtsam mit sich umgehen, wenn man erkennt was da an schier unerträglichen Zuständen zum Vorschein kommen will.
    In Wirklichkeit ist es Vergangenheit, aber gerade im Zen kann unsere Vorstellungen von einer linearen Zeitachse ziemlich plötzlich keine Rolle mehr spielen.
    Dann fangen wir an nach Erklärungen und Lösungen zu suchen.
    Nicht alles einfach glauben und übernehmen was die Lehrer im Internet sagen, denn sie stecken nicht in deiner Haut.
    Es gibt nicht den Zen Meister !
    Ein Zen Meister ist in erster Linie Zen Meister um die Lehre lebendig zu halten und den Wesen zu helfen.
    Aber er kann natürlich nicht genau wissen was in dir vorgeht.
    Und er wird nicht ein Stück Verantwortung für dein Leben auf sich laden.
    Den Sack musst du selbst tragen.
    Dies bedeutet aber nicht Hilfe abzulehnen.
    Möglichst nicht Zuviel lesen über Zen. Das schafft falsche Vorstellungen.
    Mit einem guten Lehrer zusammen zu treffen ist gut.
    Zen geht ohne guten Lehrer meist nicht und ein guter Lehrer wird sagen wenn ich aufpassen muss. Er wird es wissen wenn ich offen mitteile was passiert.
    Für dich selbst zu Hause:
    Es ist gut aufzuhören stur so lang zu sitzen. Vor allem allein !
    Gut zu beachten wie lang ich sitzen kann. Was ist die komfortabelste Zeit für mich bevor ich mich richtig verlasse ? Was ist an diesen Punkt ? Was passiert?
    Vielleicht nicht so streng zu sitzen. Aufrecht, aber locker auf einen Bänkchen.
    Traumata haben zu starren Teilen im Körper geführt. Mit Strenge hast du kaum eine Chance deinen Körper richtig zu spüren.
    In einer Gruppe zu sitzen oder an einem Zen Wochenende teilzunehmen bietet gute Chancen weiterzukommen.
    Da ist es möglich Sachen durchzustehen, die allein zu Hause vielleicht nicht möglich sind.
    Zen ist nicht für jeden unbedingt in seiner ursprünglichen Form gut.
    Um eine gewisse Leidensfähigkeit kommst du im Zen nicht umhin, aber wenn es über längere Zeit existenzielle Probleme auslöst, stecke zurück.
    Du bist deshalb nicht irgendwie weniger spirituell oder ein unvollkommenerer Teil dieser Welt. Du musst dich nicht schlecht fühlen.
    Es gibt keinen Grund sich deshalb schlecht zu fühlen.
    Es ist nie verloren. Wenn du weißt um was es geht, kannst du dich überall in der Welt irgendwohin setzen, oder deine Schritte verlangsamen.

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