Trauma und Scham

​Über Scham wird nicht gern geredet, den meisten ist es unangenehm. Gleichzeitig ist es aber auch ein Thema, über das wir wenig wissen.

Zunächst möchte ich bemerken, dass Scham neben der unangenehmen, selbstzerstörerischen Seite auch eine sehr gesunde und wichtige Komponente hat. Zum einen ist sie ein wichtiges Charakteristikum, wenn wir andere kennenlernen. Wir haben ungern Kontakt mit Menschen, die sich grundsätzlich nicht schämen. Dies liegt daran, dass solche Menschen kein Gefühl dafür haben, wann sie uns zu nahe treten, oder welche Benimmregeln in bestimmten sozialen Kontexten wichtig sind. Das bedeutet also, dass unser soziales Verhalten in hohem Maß von Scham geregelt wird

Entstehung von Scham

Scham entsteht bereits am Ende des ersten Lebensjahrs bzw. am Anfang des zweiten. Denn plötzlich sind wir mobil und krabbeln überall herum. Wir lieben es, alles anzufassen und z.B. Tischdecken herunter zu ziehen, weil da ganz viel Selbstwirksamkeit im Spiel ist und ganz viel Freude, die Welt zu entdecken.

In dem Moment, wenn wir mehr Selbstständigkeit lernen, setzen unsere Eltern Scham ein, um uns daran zu hindern, irgendetwas zu tun, was wir nicht tun sollten. Anscheinend gibt es einen biologischen Mechanismus, der Babys oder Kleinkinder erstarren und in sich kollabieren lässt, wenn ein bestimmter Ton kommt (etwa ein „Hör auf!“). Kinder stellen jede Tätigkeit dann sofort ein. Dieser Mechanismus ist sehr wichtig für das Überleben, etwa wenn die Eltern ihr Kind vor einer Gefahr wie einen Abgrund, auf den sich das Kind zu bewegt, warnen. Dafür scheint die Natur diesen Kollaps in uns eingeprägt zu haben. Und diesen Kollaps nennen wir Scham.

Das Kind ist in diesem Fall ​ tatsächlich tief resigniert. Das kommt daher, weil es eigentlich, sobald es etwas bewegt und sobald es etwas für sich Tolles gemacht hat, zu seinen Eltern schaut und diesen freudigen Blick erwartet, mit dem es hoffentlich das ganze erste Jahr für jeden Pups bedacht worden ist. Und jetzt plötzlich ist der Blick aber nicht mehr freundlich und dadurch kommt es praktisch intern zu einem Kollabieren. Dieses Kollabieren hindert uns dann daran, Sachen zu machen, die nicht gut für uns sind.

Negative Ausprägungen von Scham

Wenn Eltern die Scham nun aber einsetzen, ohne das Kind später wieder zu beruhigen und von dem Kollaps zu regulieren, bleibt das Kind in dem Zustand des Kollabierens. Deswegen ist es wichtig für das Kind, dass ihm wieder versichert wird, dass alles wieder gut und es nicht Schuld ist. Sonst bleibt es in einem sogenannten hypotonen Zustand, also einer Untererregung, und kommt nicht mehr hoch in mehr Freude und Neugier, das Umfeld zu entdecken.

Wenn Eltern dann auch noch demütigend sind („Mein Gott, kannst du nicht ein Mal etwas richtig machen?“, „Was machst du eigentlich immer?“, „Du bist dumm!“, …), dann entsteht die sogenannte toxische Scham.

Toxische Scham hindert uns wirklich am Leben, weil wir ständig das Gefühl haben, wir sind falsch. Hier lohnt es sich auf einen großen Unterschied zwischen Schuld und Scham hinzuweisen. Bei Schuld habe ich etwas falsch gemacht und kann es meistens wieder gut machen. Bei Scham hingegen bin ich falsch und das bedeutet, das einzige, was ich eigentlich tun kann, ist von der Erdoberfläche zu verschwinden. Dieses Gefühl lebt in vielen Menschen, die nicht willkommen waren, deren Eltern nicht fähig waren, ihre Liebe auszudrücken, oder sie gedemütigt oder sogar misshandelt haben.

Schamrage

Neben dem Kollaps ohne Erholung gibt es noch eine weitere mögliche Folge von toxischer Scham, nämlich die Schamrage. Darunter versteht man eine tiefe Wut. Wenn diese dann explosionsartig heraus kommt, dann ist das oft nicht so schön für das Umfeld, vor allem, wenn es bei Erwachsenen passiert. Die Schamrage hält eine große Zerstörungskraft in sich, weil sich der Mensch sozusagen nicht nur kritisiert fühlt, sondern im Kern angegriffen oder vernichtet durch das, was das Gegenüber gesagt hat. In meinem Artikel über das selbstverletzende Verhalten erfährst du mehr über eine der vielen Folge einer solchen Schamrage.

Deshalb ist es extrem wichtig mit der Zeit an der toxischen Scham zu arbeiten, sie zu sehen und natürlich zu verändern. ​Ebenso wichtig ist der Umgang mit Wut. Schaue dazu gerne mal in meinen Beitrag zu dieser Thematik!

Scham in Deinem Leben

Vielleicht kannst Du in Dir entdecken, wo diese Scham arbeitet, wenn Du dieses Thema mit Deinem Leben in Zusammenhang bringen kannst. Vielleicht kannst Du sogar herausfinden, womit diese Scham zusammenhängt oder wie sie entstanden ist. Versuche Dir ab und zu mal zu sagen, dass Du in Ordnung bist. Auch wenn Du das am Anfang nicht glaubst und es nur ein Satz ist, tu es einfach weiter und führe praktisch intern nicht das weiter, was Deine Eltern mal mit Dir gemacht haben. Hör auf, Dich ständig selbst zu hauen und zu beleidigen, sondern übe, mit Dir selber eine gute und angenehme Kommunikation zu pflegen.

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