Wir alle suchen nach Lösungen für unser Leiden oder unsere Probleme. Der erste Schritt ist, sich Informationen zu holen und Wissen anzueignen. Irgendwann gehen wir dann einen Schritt weiter und beschäftigen uns mehr und mehr mit uns und unserer Geschichte. Wir gewinnen Erkenntnisse über uns und was unser Leben geprägt hat.
Unser Verstand sagt uns, dass wir nun die Lösung gefunden haben. Leider ist das meistens nicht der Fall und wir sind enttäuscht, dass sich so wenig bewegt. Es müssen weitere Schritte folgen, um wirklich tiefere Veränderungen in unserem Leben herbeizuführen.
Die Orte unserer Prägungen
Es gibt verschiedene Orte und Ebenen, die unsere Geschichte und damit einhergehende Prägungen speichern. Eine davon ist die Kognition. Dort findet alles statt, was Du in geistigen Prozessen umsetzt, also was Du interpretierst, was Du bewertest und einordnest.
Eine zweite Ebene umfasst die Gefühle, die es in Dir gibt. Und dann gibt es noch diese untere Ebene von Stammhirn, Instinkten und angelegten Mustern, über die Du nicht nachdenkst und die Du nicht bewusst wahrnimmst.
Der Kopf will verstehen
An anderer Stelle habe ich erklärt, ob ich mit etwas arbeiten und es verändern kann, obwohl ich mich nicht erinnere. Hier eine kurze Wiederholung und Anknüpfung.
Wenn ich eine Erinnerung habe, geht es nicht darum, ob diese wichtig ist, sondern ob sie an sich dazu weiterhilft, etwas zu verändern. Unser Kopf sagt sofort, natürlich, das ist total wichtig, weil ich die Ursachen und Wirkung wissen will.
In der Psychologie ist es leider nicht so klar. Es gibt meistens eine Ursachenkette. Es ist heute fast unmöglich ein Verhalten einer bestimmten Ursache zu zuordnen. Man kann sich dem annähern, aber nie genau sagen, so ist das. Das funktioniert meist nicht.
Aber der Kopf sagt, ich möchte es wissen. Wenn ich es weiß und erkenne, wird alles anders.
Erkenntnis kann erleichternd sein
Wenn Du schon etwas therapieerfahren bist, hast Du vielleicht gemerkt, dass Erkenntnis nicht gleich Veränderung bedeutet. Wenn ich etwas verstehe, gibt es eine Art Entspannung. Es gibt mir einen Schlüssel und ich habe das Gefühl neue Zusammenhänge zu schließen und Dinge in meinem Leben besser zu verstehen.
Für mich zum Beispiel war der Begriff Trauma allein (vor zwanzig Jahren war das noch kein Thema) ein Schlüssel für mein Leben. Plötzlich habe ich verstanden, warum bestimmte Dinge in meinem Leben so sind; warum ich bestimmte Verhaltensweisen habe und zeige. Das war ein Aha-Effekt. Ich habe mich nicht mehr so anormal und durchgeknallt gefühlt, weil ich wusste, alles hat irgendwie einen logischen Grund. Ich bin eigentlich normal, wenn ich einbeziehe, wo ich herkomme.
Nach dem ersten Glücksgefühl habe ich allerdings gemerkt, dass sich meine Verhaltensweisen dadurch nicht ändern.
Veränderung braucht mehr als nur Erkenntnis
Erkenntnis allein bringt keine Verhaltensänderung, nur in wenigen seltenen Fällen. Es ist eher ein kognitiver Prozess, der nicht bis auf die untere Ebene von angelegten Mustern durchdringt.
Diese Ebene des Gedächtnisses ist unser Körpergedächtnis. In diesem Bereich werden unsere Verhaltensmuster angelegt. Es wird prozedurales Gedächtnis genannt.
Unsere Verhaltensmuster haben sich durch unsere Erziehung, unsere Geschichte, durch das, was wir erlebt haben, gebildet. Das bedeutet auch, dass wir uns nicht plötzlich anders verhalten können, nur weil wir wissen, dass es besser wäre.
Im Sport zum Beispiel hast Du einen bestimmten Bewegungsablauf gelernt. Jetzt stellst Du fest, es gibt Bewegungsabläufe, die sehr viel besser und sinnvoller für Dich wären. Doch diese Erkenntnis alleine nützt Dir nichts. Wir können nicht etwas anders machen, weil wir es in Form von Mustern und Abläufen schon gespeichert haben. Darauf greift unser Hirn immer wieder zurück. Um wirklich etwas anders zu machen, musst Du es üben und üben und üben. Ab einem gewissen Punkt wird dieser neue Bewegungsablauf wieder prozedural und in deiner Körpererinnerung als Muster angelegt.
Der Zugriff auf das prozedurale Gedächtnis
So ist das auch mit anderen Verhaltensweisen in Deinem Leben. Sie sind in Deinem Körper prozedural in Deinem Gedächtnis angelegt. Wenn von außen ein bestimmter Reiz kommt, wird er abgerufen und ich verhalte mich so, wie ich mich immer verhalten habe.
Und hier ist der entscheidende Drehpunkt: Ich kann Dinge erst verändern, wenn ich einen Zugriff bekomme auf das, was im Körper, in der Psyche in dem jetzigen Augenblick passiert. Das heißt ich muss es im Hier und Jetzt im Körper spüren.
Es geht nicht darum, was ich damals gefühlt habe, sondern, was jetzt heute in mir passiert, wenn ich einen bestimmten Reiz bekomme.
Zum Beispiel macht Dir jemand ein Kompliment und sagt ‚Du bist toll.‘ Und nun schau genau hin und frage Dich: Was passiert in dem Moment in mir? Warum kann ich nicht sagen: ‚Das ist ja schön, ich freue mich!‘ Wieso gibt es vielleicht eine Stimme, die sagt: ‚Das glaube ich Dir nicht!‘
Versuche den Ablauf zu erkennen, beobachte Dich! Was passiert in mir? Auf was reagiere ich? Wie spüre ich das? Was löst es in mir aus, wenn ich den Prozess meiner Reaktion verlangsame und von dem Unbewussten ins Bewusstsein hole? Ab diesem Moment wird die Veränderung möglich. Jetzt kann die Arbeit und der Prozess beginnen.
Der Bezug zum Hier und Jetzt
Das ist der Unterschied zwischen eine Erkenntnis haben und einer echten Lebensveränderung, die meine Emotionen und mein Verhalten verändert. Das ist nur möglich, wenn Du den Körper, das Körperempfinden mit einbeziehst in die Gegenwart. Es geht nicht mehr um früher und Deine damaligen Empfindungen. Das kannst Du sowieso nicht mehr gänzlich nachempfinden. Aber Du fühlst jetzt etwas.
Diese Arbeit im Hier und Jetzt, mit den Erlebnissen von früher oder mit denen, die heute nicht gut laufen, sind der Kern eines Veränderungsprozesses. Der Kern eines therapeutischen Prozesses, so wie ich ihn verstehe und seine Wirksamkeit beobachte.
Unsere zu bearbeitenden Prozesse sind auf einer viel tieferen Ebene gespeichert als auf der Kognitiven. Deshalb macht es einen großen Unterschied, wenn ich über etwas rede, aber nicht in den Körperkontakt dabei gehe. Wenn ich von einem Ereignis erzähle und die Reaktionen meines Körpers dabei spüre, kann ich dort ansetzen und damit arbeiten.
Das führt dazu, dass Klienten oft gar nicht viel zum Erzählen kommen, weil es viel interessanter und wirksamer ist, mit ihnen in ihre körperliche Reaktion zu gehen und die Emotionen zu erkennen.
So geht das ganze Geschehen eine Ebene tiefer. Es passieren neue Dinge und vor allem können andere Erfahrungen gemacht werden.
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