Aus traumatischen Erfahrungen entsteht häufig Angst, die sich im Alltag auf verschiedenste Art und Weise äußert. Häufig wird diese diffuse Angst auf bestimmte Situationen übertragen und kann den Alltag sehr erschweren.
Angst ist ein Gefühl, das sehr viele unterschiedliche Formen annehmen kann und viele Menschen, die eine Traumageschichte haben, kennen Ängste aus ihrem Alltag. Hierbei ist es egal, ob die Traumatisierung durch ein Entwicklungs- oder ein Schocktrauma entstanden ist.
Wo liegt der Unterschied zwischen „spezifischer Angst“ und „traumatischer Angst“?
Oftmals werden die Ängste von den Betroffenen als spezifisch wahrgenommen, liegt jedoch eine Traumatisierung zugrunde, habe ich einen anderen Erklärungsansatz, den ich dir gerne näher erläutern würde:
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Leidet ein Mensch an einer sogenannten klassischen Phobie, dann hat er beispielsweise Angst vor Höhe, vorm Fliegen oder vor engen Räumen.Daneben gibt es aber eine Vielzahl an Menschen, die Angst haben, dass in ihrem Leben etwas “Schreckliches“ passiert.
dass…
- sie krank werden,
- jemand stirbt,
- sie jemanden verlieren.
In ihrem Alltag sind sie ganz, ganz viel mit diesen Ängsten beschäftigt und suchen verzweifelt nach einer Lösung, um die Ängste zu bewältigen oder mit ihnen umgehen zu können.
Wie kommen diese Ängste zustande?
Ich möchte dir erklären, wie diese Ängste entstehen und was für einen Weg ich sehe, mit ihnen umgehen zu können oder wie es möglich ist, wieder angstfreier oder womöglich ganz angstfrei zu werden.
Wie wirkt Trauma im Körper?
Durch ein Trauma wird in deinem Körper sehr viel Energie festgehalten. Trauma bedeutet immer, dass ich etwas erlebt habe, was mich überwältigt hat – in welcher Form auch immer. Es kann sein, dass ich als Baby oft stundenlang geschrien habe und niemand kam. Durch das Schreien habe ich sehr viel Energie aufgebracht, um auf mich aufmerksam zu machen. Oder mir ist Gewalt angetan worden und mein Körper hat viel Energie zum Kämpfen oder Fliehen bereitgestellt, aber aus welchen Gründen auch immer ist mir das nicht gelungen.
So oder so, das Ergebnis ist, dass ich mich überwältigt und ohnmächtig gefühlt habe.
Schreckliche Erfahrungen sind schrecklich – ohne dass ein „Wettbewerb“ nötig ist
Und hier möchte ich – als kleinen Einschub – darauf aufmerksam machen und mir wünschen, dass aus den Erlebnissen die Wertung herausgenommen wird. Jeder Mensch hat das, was er erlebt hat, als furchtbar wahrgenommen. Natürlich weiß ich, dass es Dinge gibt, die unaussprechlich schrecklich waren und manchmal wirkt ein „ja, man hat mich als Baby stundenlang schreien lassen daneben „lächerlich“.
Aber das ist es nicht, denn die Angst des Babys war es zu sterben. Meiner Erfahrung nach tun wir uns als Betroffene überhaupt keinen Gefallen, wenn wir einen Wettbewerb des Schreckens unter uns einführen!
Wir haben alle ein Recht an dem, woran wir leiden
Ich erlebe es oft, dass Betroffene ihr eigenes Leid kleinreden und sich das Recht absprechen, überhaupt etwas zu fühlen, was schrecklich war, weil sie ihre Erfahrungen mit etwas vergleichen, was sie noch schrecklicher finden. Natürlich gibt es Abstufungen von Schrecken, gar keine Frage – und doch hat die betroffene Person ihr Erlebnis als schrecklich wahrgenommen.
Erstarrung lässt die Energie einfrieren
Wenn eine Person etwas Schreckliches erlebt und aufgrund der Überwältigung erstarrt, dann wird die Energie, die der Körper für die Kampf- oder Fluchtreaktion bereitgestellt hat, in unserem System gespeichert. Das heißt, die Energie friert quasi ein, bleibt aber da und löst bei den meisten Menschen über die Zeit ganz viele Symptome aus.
Wie sich Übererregung äußern kann
Diese Übererregung, die du als Betroffener ganz oft in deinem Körper spürst, ist eine Folge der eingefrorenen Energie aus der traumatischen Situation.
Bemerkbar macht sie sich zum Beispiel darin, dass du…
- nicht zur Ruhe kommst,
- eigentlich immer irgendwie hibbelig bist,
- dich nicht konzentrieren kannst oder
- schlecht schläfst
- den „klassischen Traumasymptomen“
- emotional unausgeglichen bist
…wenn dieser Zustand nicht mehr zu halten ist…
Manchmal stürzen wir auch ab in eine Untererregung, weil der Körper das anders nicht mehr reguliert bekommt. Dann fühlen wir uns sinnlos, leer und erschöpft und es geht nichts mehr. Trotzdem liegt auch hier unter dieser flachen Linie diese Erregung, auch wenn sie in dem Moment nicht zu spüren ist.
Unser Kopf sucht nach einer Erklärung
Deswegen sind Depressionen beispielsweise auch ganz oft von Ängsten begleitet, was man erstmal so gar nicht glauben mag. Diese Energie ist im Körper da und der Kopf fängt an, im Außen einen Grund zu suchen und das logisch zu machen, was er fühlt.
So kann eine Übererregung und die damit einhergehende Spannung im Körper interpretiert werden. Manche Menschen benennen diese Empfindung als Angst, andere als Wut und wieder andere als Hibbeligkeit. Sobald sie benannt ist, sucht der Kopf dann einen Auslöser. Und so kann der Blick eines anderen zum Beispiel als Grund für die aufkeimende Wut oder Angst benannt werden. Hier treffen sich quasi Biologie und Psyche, das hat rein gar nichts mit Schuld zu tun, das ist mir ganz wichtig.
Also: wenn ich die Energie die ganze Zeit in mir habe und zur Angst hintendiere, dann sucht mein Kopf ständig nach einer Erklärung, warum diese Angst da ist.
Ein Beispiel zur Verdeutlichung
Zum Verdeutlichen, was in uns abläuft, nehme ich gerne das Beispiel von einem Pferd. In diesem Bild steht das Pferd für unseren Körper und damit auch für unser Stammhirn.
Stell dir vor du reitest mit einem Pferd entspannt durch den Wald und dann raschelt es im Gebüsch. Und was macht das Pferd? Es hebt den Kopf, horcht und guckt: „ist da irgendetwas?“. Du als Reiter/in sitzt im Sattel und denkst dir „oh, hoffentlich geht das gute Tier nicht gleich durch oder fängt an zu bocken“. D.h. du spannst dich an. Das wiederum merkt das Pferd und „denkt“: „wenn mein Reiter sich anspannt, dann MUSS hier etwas sein, was gefährlich ist. Dann werde ich doch gleich nochmal ein bisschen aufmerksamer“ und wird noch angespannter. Was wiederum zur Wechselwirkung mit dem Reiter führt: „woah, jetzt muss ich noch mehr aufpassen, dieses Tier wird leicht nervös, das macht mich nervös“. Das Pferd „denkt“: „die Gefahr kommt näher, weil der da oben immer nervöser wird“.
Genau so ist der Ablauf von Körper und Psyche! Es ist wie ein Schneeballsystem, das in Gang kommt.
Angst in der Dauerschleife
Und so wird Angst dann oft nicht mehr „managebar“ und „poppt“ überall auf. Und der Kopf möchte sich das erklären, weil wir einfach so „gestrickt“ sind, dass starke Gefühle von außen kommen müssen. Wenn wir früher in der Höhle saßen und da draußen ist ein Tiger herumgeschlichen, dann sind wir nicht in uns gegangen und haben uns gefragt: „wie fühle ich mich denn jetzt? Die Gefahr kommt bestimmt nicht von außen… Das alles haben wir nicht getan, sondern es war klar: „ich habe Angst, weil da draußen etwas ist“.
D.h. auch heute neigen wir dazu, dass das, was wir fühlen, auch wenn es von sehr viel früher rührt, auf etwas zu projizieren, was heute ist. Und das führt eben auch oft in Beziehungen, Freundschaften oder an Arbeitsplätzen zu einer Eskalation, weil die Interpretation von dem, was andere Menschen sagen, wie sie schauen, wie sie gestikulieren oft eher ins Negative geht – weil deren Verhaltensweisen eben auf meinen hohen Erregungszustand trifft, den mein Kopf/mein Verstand sich erklären möchte.
Auf die Art und Weise entsteht u.U. eine Dauerangst, die sich in den Alltag einschleicht und wir aber gar nicht wissen, warum sie da ist, wo sie herkommt und wir auch nicht mit ihr umgehen können.
Leichter ist es für uns, wenn wir vor etwas „Spezifischem“ Angst haben – z.B. vor Krankheit, davor, dass jemand stirbt etc.
Ist das nicht verrückt?! Und deswegen ist es für die Psyche „gesünder“, die Angst auf etwas projizieren, das für uns greifbar und erklärlich ist.
Was tun?
Wir brauchen einen Weg, wie diese diffuse Angst wieder eine Heimat darin findet, wo sie überhaupt herkommt. Das bedeutet nicht, dass wir uns an alles erinnern müssen, aber wir müssen ein Stück weit Anschluss bekommen an das Gefühl von damals, was wir oftmals dissoziiert haben – den Schmerz.
Dann kann hier wieder eine Verbindung stattfinden, eine Ent-Dissoziation sozusagen. Und das andere ist, dass es in der Körperorientierten Traumapsychotherapie Wege gibt, diese Flucht-und-Kampf-Energie wieder sehr langsam und sanft aus dem Körper herauszubringen – sozusagen ein Stück weit zu „entladen“ – ohne dabei kathartisch zu werden. Es geht darum, das Energieniveau im Körper zu senken.
Auch alles, was du zum Thema Selbstregulation (hier kommst du zu meinem Kurs zu Selbstregulation) dazu tun kannst, ist wichtig, um das Energieniveau zu senken.