Blog

Freundschaften pflegen: Wie du schöne Freundschaften erreichen kannst

von | 11.12.2020 | 9 Kommentare

Ich werde immer wieder gefragt: „Wie lebt man eigentlich gute Freundschaften? Und wie kann man diese Freundschaften pflegen?“
Freundschaften sind sehr kostbar. Aus meiner Sicht gehören sie zu den wichtigsten Dingen im Leben. Das Gefühl, verbunden zu sein und bei Freunden ein Zuhause und Geborgenheit zu finden, hat eine große Wirkung auf die Lebensqualität, die eigene Stabilität und das Wohlbefinden.

Dennoch fällt es manchen Menschen schwer, gute Freunde zu finden, schöne Freundschaften in ihr Leben zu bringen und diese Verbundenheit und tiefe Nähe zu erzeugen und zu erhalten. Dieses Problem beginnt oft schon mit den ersten Kontakten und dem näheren Kennenlernen.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptierst du die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden


Gute Freunde finden: Wie lerne ich überhaupt jemanden kennen?

Wenn wir jemanden neu kennen lernen und wir diesen Menschen sympathisch finden, dann hat jeder von uns seine ganz eigene Art in Kontakt zu gehen. Bei traumatisierten Menschen kann dieser Kontaktaufbau gewissen Störungen unterliegen, die es ihnen schwer macht:

Folgen von Entwicklungstraumata und den daraus resultierenden Bindungsmustern, den Ängsten und Überzeugungen, können zum Beispiel sein, dass wir unter Umständen

  • zu schnell in Verbindung oder in eine Bindung gehen und zu schnell Nähe herstellen oder
  • immer im Misstrauen bleiben und uns ständig aufs Neue vergewissern, ob der andere vertrauenswürdig ist.

So funktioniert eine wirkliche Freundschaft natürlich nicht.

Eine gute Freundschaft basiert auf Vertrauen

Orientierung ist ein wichtiger Bestandteil in unserem Leben. Sie bedeutet, dass ich im Hier und Jetzt sein kann und sie bedeutet auch, dass ich weiß, wo ich stehe.
Irgendwann muss ich damit aufhören, mich ständig zu orientieren, vor allem im Umgang mit anderen Menschen.
Wenn ich jemanden öfter getroffen und näher kennengelernt habe, dann muss ich an den Punkt kommen, wo ich sage:
„Ich vertraue dir, ich möchte diese Verbindung mit dir gern vertiefen!“
Ab diesem Zeitpunkt muss es möglich sein, dass auch mal etwas schiefläuft oder vielleicht sogar etwas Verletzendes geschieht, ohne dass ich sofort die ganz Freundschaft in Frage stelle. Es bringt sehr viel Stress in die Verbindung, wenn es immer um „ganz oder gar nicht“ geht und jeder Konflikt ein Auslöser ist, die Freundschaft zu beenden. Gegenseitiges Vertrauen ist eine wichtige Voraussetzung, um eine Freundschaft zu pflegen.

Eine Freundschaft wächst und vertieft sich Schritt für Schritt

Der andere Punkt ist das, was passieren kann, wenn ich zu schnell in Nähe gehe. Wenn ich jemanden gerade erst kennengelernt habe und demjenigen schon bei den ersten Treffen meine ganze Geschichte erzähle und vielleicht auch meine ganzen Traumata, dann hat das in der Regel die Folge, dass der andere überfordert ist und sich zurückzieht.

Das ist am Anfang zu viel und es geht auch erstmal darum zu schauen, ob ich die andere Person überhaupt mag. Wenn ich eine Freundschaft pflegen will, darf ich nicht vergessen:Eine Freundschaft braucht Zeit und Raum zum gegenseitigen Kennenlernen.
Es ist ein gegenseitiges Offenbaren der eigenen Person, Stück für Stück. Ich zeige ein bisschen von mir und von meiner Verletzlichkeit und schaue, wie du damit um.

  • Steigst du darauf ein?
  • Zeigst du auch etwas von dir?
  • Bist du empathisch?
  • Kannst du zuhören?
  • Stellst du Fragen?
  • Bist du überhaupt bei mir?

Auf diesem Level ist es noch nicht schlimm, wenn es nicht funktioniert, weil wir uns noch kennenlernen.
Wenn aber beide in kleinen Schrittchen gemeinsam tiefer gehen

  • in die Verletzlichkeit,
  • in das Zeigen,
  • in die Nähe,
  • in die Intimität,

dann können wir mit der Zeit sagen, wir sind befreundet.

Die Freundschaft pflegen

In einer Freundschaft schaue ich, was die andere Person mag. Kann ich ihr eine Freude machen? Und ich schaue auch, ob das, was wir voneinander wollen, zusammenpasst. Ist die Art unserer Beziehung für beide Seiten stimmig? Welche Intensität und Form von Kontakt möchte jeder von uns gern mit dem anderen haben und finden wir einen Weg, um uns mit unseren Vorstellungen zu treffen.
Dazu gehört auch, offen anzusprechen, wenn etwas nicht passt. Was vielen Menschen mit Entwicklungstrauma und Bindungstrauma schwerfällt, ist ein freundliches Austarieren.

Was willst du? Was will ich?

Ein weiterer Schritt für eine tiefe Freundschaft ist, sich gemeinsam zu finden und einzuordnen, wo wir miteinander stehen. Auf der Skala von „ferne Bekanntschaft“ bis „intime Freundschaft“ gibt es viele Abstufungen und Möglichkeiten. Es macht die Qualität von Verbindung nicht „schlecht“, wenn wir Bekannte sind, die sich gelegentlich treffen. Und es kann Freunde geben, die mir sehr nahestehen, die ich aber nur sehr selten sehe.
So ist das eben mit dieser Person!
Wenn wir mehr zulassen können, dann haben wir unterschiedliche Menschen in unserem Leben, mit denen wir unterschiedliche Dinge erleben und unternehmen. Und dann ist es ist schön, das mit diesem Menschen zu teilen!

Jede dieser Begegnungen ist schön, so wie sie ist.

Wenn ich Freundschaften pflegen will, geht es genau darum, diesen Punkt zu finden, wo und wie es passt. Das ist für mich die Art und Weise, wie man Freundschaft schließt, lebt und erhält.

Jede Freundschaft und auch Beziehung lebt von Zeit. Deshalb muss ich gut schauen, wie viel Zeit ich für diesen Menschen habe und wieviel Zeit diese Person für mich hat.
Und wie wir uns gegenseitig behandeln. Wir müssen gut darauf achten, diese Freundschaften lebendig zu halten, auch in unserem hektischen Alltag.

Das könnte auch interessant für dich sein:
Trauma und Kontakt
Wenn du noch mehr über Trauma und die Auswirkungen auf unser Leben wissen möchtest, dann lade dir hier mein Gratis E-Book herunter:
Trauma verstehen

Gratis! Hol dir das E-Book + Videoserie

Lerne Trauma besser zu verstehen und mehr Verständnis für dich zu haben!

Letzte Beiträge

Interview mit Angela Elis

Interview mit Angela Elis

"Was kann ich tun, wenn ich in einer Krise stecke und das Gefühl habe, es geht so nicht mehr weiter? Wie kann ich mit dem Leidensdruck umgehen und was brauche ich, um den Weg der Veränderung erfolgreich zu gehen?" Um diese Fragen geht es in dem Gespräch mit der...

Wenn der Tiger ständig im Raum ist

Wenn der Tiger ständig im Raum ist

Unser Trauma, das uns in unserem Leben oft sehr beeinflusst, ist wie ein Tiger im Raum, vor dem wir uns immer und immer wieder schützen müssen. Wir müssen viel Energie investieren, um diesen Tiger oder unser Trauma „in Schach zu halten“. Unsere Aufmerksamkeit geht...

Sich einsam fühlen: Gründe warum du oft Einsamkeit empfindest

Sich einsam fühlen: Gründe warum du oft Einsamkeit empfindest

Sich einsam zu fühlen — auch in Gesellschaft — belastet uns und kann uns sogar krank machen. Hatten wir als Kind nicht das Gefühl, dass stetig jemand liebevoll für uns da ist, so merken wir dies später daran, dass wir in Beziehungen sehr unsicher sind oder niemanden...

9 Kommentare

  1. Ist die Basis in einer Liebesbeziehung Freundschaft?

    Antworten
    • Hallo Ursula, das kann so sein, muss aber nicht so sein. Manchmal ist die Basis einfach nur Anziehung und man stellt fest, dass man
      sich gar nicht wirklich menschlich versteht. Erfolgreiche Langzeitbeziehungen haben als Basis Freundschaft, das ist richtig.

      Antworten
  2. Hallo Dami, was steckt hinter dem Bedürfnis, sich sofort zu offenbaren und die ganze Lebensgeschichte zu erzählen?
    Viele Grüße,
    Karin

    Antworten
    • Hallo Karin, solche Fragen sind schwer zu beantworten, ohne dich zu kennen. Vielleicht der Wunsch nach Kontakt oder gesehen werden, vielleicht Grenzen nicht gut einhalten zu können, vielleicht Nähe zu schnell herstellen zu wollen. Ich weiß es so nicht, aber vielleicht kannst du mit meinen Überlegungen ja etwas anfangen. Herzliche Grüße, Dami

      Antworten
  3. Hallo Dami, spontan kann ich mit dem Wunsch, gesehen zu werden, sehr gut etwas anfangen. Das ist ein Thema, das mir auch an anderen Stellen schon begegnet ist, bis hin zu wahnsinnig flacher Stressatmung, wenn ich ignoriert werde. Das hat aber auch etwas mit Grenzen zu tun: Ich setze weniger Grenzen, um nicht Gefahr zu laufen, übersehen zu werden. Also lieber etwas mehr beim Kennenlernen von mir preisgeben, als übersehen zu werden. Vielen Dank für deinen Denkanstoss!

    Antworten
  4. Liebe Dami,
    dein Artikel resoniert sehr bei mir. Ich habe außerdem das Problem, überhaupt jemanden kennenzulernen, mit dem ich evtl. eine Freundschaft aufbauen könnte. Wo kann man denn überhaupt noch neue Menschen, die evtl auch noch vielleicht zu mir passen könnten, kennenlernen?
    Und dann auch noch die Stufe zu schaffen von „ich habe mich einmalig ganz nett und unverfänglich mit jemandem unterhalten “ bis hin zu „komm wir treffen uns mal und schauen ob wir uns anfreunden wollen „. Hast du da Tipps?

    Antworten
    • Liebe Alexandra,
      vielen Dank!
      Ich denke, am ehesten lernst du Menschen, die zu dir passen dann kennen, wenn du deinen Interessen folgst. Egal, ob es eine kreative Beschäftigung ist, eine Sportart oder du eine neue Sprache lernen möchtest. Am besten machst du das, indem du dich bei einer Gruppe oder einem Angebot anmeldest.
      Dann kannst du auch schauen, ob du dort auf jemanden triffst, mit dem du dich erstmal zum gemeinsamen Üben verabredest oder einem Spaziergang oder ihr geht einen Kaffee trinken. Das heißt natürlich auch, dass du ein Nein akzeptieren kannst. Eine wirkliche Freundschaft entsteht durch gemeinsame Zeit und du solltest die Schritte behutsam gehen, damit genug Raum zum gegenseitigen Kennenlernen ist.
      Herzliche Grüße, Dami

      Antworten
  5. Liebe Dami, vielen Dank für diesen Blogbeitrag. Mir ist dabei noch folgendes eingefallen, dass ich in der Vergangenheit immer wieder sehr unausgewogene und einseitige und bedürftige Beziehungen bzw. Freundschaften hatte. Entweder war die Freundin sehr in der Rolle der Kümmerin und Zuhörerin oder manchmal war das auch meine Rolle. Das hat sich dann oft nicht so schön angefühlt, mehr wie eine Abhängigkeit und war auch oft überfordernd und belastend und gemeinsamer Spaß ist viel zu kurz gekommen oder war gar nicht vorhanden. Überhaupt erlebe ich immer wieder, dass Beziehungen manchmal sehr unausgewogen und etwas mit Abhängigkeit zu tun haben können. Wie kann man das verändern?

    Antworten
    • Liebe Clara, das braucht Zeit und viel Selbstbeobachtung. Es hat oft mit einer Frage zu tun, wie: was bedeutet Liebe für mich? Manchmal heißt es, dass ich gebraucht werde oder dass ich jemanden brauche… Und wir brauchen natürlich alle von Zeit zu Zeit jemanden, das ist vollkommen ok. Wir können aber gerade, wenn wir jemanden kennenlernen beobachten, was ist der Kern unserer Beziehung? Wie nehmen wir Bezug aufeinander? Manchmal kennen wir nur „kümmern“ oder „Witze machen“ oder „intelligent wirken“ etc. Und dann nehmen wir eben diesen vertrauten Weg, um Beziehung und Sicherheit herzustellen.
      VIelleicht helfen dir meine Gedanken ein bisschen weiter. Herzliche Grüße, Dami

      Antworten

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.