Narzisstische Mütter

Menschen mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung stellen eine extreme Herausforderung für ihr soziales Umfeld dar. Der Umgang mit ihnen ist für Erwachsene schon schwierig, für Kinder hat er oft fatale Folgen: Die Beziehung zu narzisstischen Eltern, insbesondere zu einer narzisstischen Mutter, ist von Anfang an geschädigt. Betroffene tragen das erfahrene sowie daraus resultierende Leid oft bis weit ins Erwachsenenalter mit sich. Die Aufarbeitung dieses tiefen Traumas setzt nicht nur die nötige Erkenntnis voraus, sondern ist meist nur durch schmerzhafte und radikale Maßnahmen möglich.

Als erfahrene Therapeuten mit dem Schwerpunkt Traumatherapie beschäftigt auch uns dieses Thema immer wieder. Im Folgenden erfährst du, was Narzissmus genau ist, warum gerade Töchter unter Müttern mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung leiden und was du als Betroffene oder als Betroffener tun kannst, um dein Trauma zu heilen.

​Was ist Narzissmus?

Sprechen Menschen darüber, dass sie eine narzisstische Mutter haben, ist damit meist ein weiteres Feld gemeint, als der rein pathologische Begriff der narzisstischen Persönlichkeitsstörungen.
In Wikipedia finden wir zum Begriff des Narzissmus (https://de.wikipedia.org/wiki/Narzissmus) die folgende Erklärung:

Der Psychiater und Neurowissenschaftler Raphael M. Bonelli kritisiert 2016 die theorielastige Narzissmusdiskussion des 20. Jahrhunderts und plädiert für ein naturwissenschaftliches Narzissmusverständnis unter Berücksichtigung empirischer Forschungsergebnisse. Für sein Modell des Narzissmus beruft er sich auf die neurobiologischen und genetischen Forschungen von Robert Cloninger, insbesondere die „drei Dimensionen des Charakters“ (Self-Directedness, Cooperativeness, Self-Transcendence). Narzissmus ist aus dieser Sicht gekennzeichnet durch den Dreischritt:

  • Selbstidealisierung – im Sinne eines überhöhten Selbstwertgefühls und einer überzogenen Selbsteinschätzung. Der Narzisst hat ein grandioses Verständnis der eigenen Wichtigkeit und glaubt von sich, „besonders“ und einzigartig zu sein.
  • Fremdabwertung – im Sinne einer Verachtung und aktiven Herabsetzung des anderen, die zu einer Kooperationsunfähigkeit führt. Der Narzisst zeigt deswegen eine Gier nach Bewunderung, legt ein Anspruchsdenken an den Tag, ist ausbeuterisch, unwillig zur Empathie, neidisch und arrogant.
  • Selbstimmanenz – als Gegensatz zur Selbsttranszendenz bei Victor Frankl und Robert Cloninger. „Der Narzisst kann sich für kein höheres Ideal begeistern außer für sich selbst.“

Um narzisstische Mütter und ihre Handlungen als solche zu identifizieren, braucht es außerdem den Blick auf die narzisstische Persönlichkeitsstörung (https://de.wikipedia.org/wiki/Narzisstische_Pers%C3%B6nlichkeitsst%C3%B6rung), bei der diese Eigenschaften noch weit mehr ausgeprägt sind. Hier die Beschreibung, ebenfalls Wikipedia:

Die narzisstische Persönlichkeitsstörung (NPS) zeichnet sich durch einen Mangel an Empathie, Überschätzung der eigenen Fähigkeiten und gesteigertes Verlangen nach Anerkennung aus. Typisch ist, dass die betroffenen Personen übermäßig stark damit beschäftigt sind, anderen zu imponieren und um Bewunderung für sich zu werben, aber selbst kein zwischenmenschliches Einfühlungsvermögen besitzen und keine emotionale Wärme an andere Menschen zurückgeben.

Narzisstische Persönlichkeiten weisen deutliche Probleme bei der Anpassung an ihre Lebensumstände und an ihr Lebensumfeld und in der autonomen Regulierung des Selbstwertgefühls auf. Solche Anpassungsschwierigkeiten können sich in vielfältiger Weise äußern und in verschiedenen Erscheinungsformen der NPS auftreten. Der übermäßige Geltungsdrang kann entweder selbstsicher in Szene gesetzt oder schüchtern verborgen werden. Dementsprechend können Betroffene arrogant auftreten oder sich bescheiden geben.

Pathologischer Narzissmus kann sich sowohl durch Prahlen und Hochstapelei äußern wie auch durch unersättliche Ansprüche und Erwartungen. Menschen mit einer NPS neigen dazu, Personen in ihrem unmittelbaren Umfeld – besonders Sexualpartner und Kinder – emotional zu missbrauchen, um dadurch den eigenen Selbstwert (ihr „Ego“) auf Kosten anderer zu erhöhen. Andere Formen der narzisstischen Persönlichkeitsstörung sind gekennzeichnet durch eine Instabilität des Selbstwertgefühls bis hin zu einer Bipolarität des Selbstwertgefühls, das zwischen Grandiosität und schamvoller Zerknirschung pendeln kann, oder durch eine im Inneren chronisch schwelende Wut, die schon bei geringem Anlass explodieren kann (vor allem bei Kritik oder subjektiv empfundener Kränkung).

Narzisstische Persönlichkeitsstörung der Mutter – vom Verbot, du selbst zu sein

​Aus diesen beiden Beschreibungen wird die Tragik für Kinder einer narzisstischen Mutter bereits ablesbar.​​ Für ein Kind bedeutet dies, dass es meist ausgebeutet wird und nicht als eigenständiger Mensch gesehen und behandelt wird. Für narzisstische Mütter ist das Kind ein Teil ihrer Selbst, so dass es demnach auch keine abweichenden Handlungen vollziehen, andere Ansichten oder eigene Gefühle haben darf. Äußern Kinder Kritik an den Müttern, ein “falsches” eigenes Gefühl oder Wünsche, folgt die Bestrafung durch Liebesentzug, Verachtung oder andere Mechanismen der Herabsetzung.

Alltag für Kinder narzisstischer Mütter

​Die Rollen drehen sich durch diese Persönlichkeitsstruktur der Mutter meist um: Das Kind hat die Aufgabe, die Mutter möglichst positiv zu spiegeln und für das Wohlergehen der Mutter zu sorgen. Das Kind nährt die Mutter und nicht umgekehrt. So bleibt eine reale Spiegelung, die Erfahrung von Empathie und das Genährtwerden für das Kind aus.

Es ist darüber hinaus nicht selten, dass die Töchter narzisstischer Mütter betroffen sind: Sie werden aufgrund des gleichen Geschlechts und damit einhergehender Rollenbilder und Erwartungen als umso “geeigneterer” Spiegel erfahren und behandelt: Die Überhöhung des eigenen Selbstwerts wird durch eine “missratene Tochter, die der Mutter nicht das Wasser reichen kann” nochmals einfacher.

Auch für Geschwister birgt eine solche Mutter-Kind-Beziehung erhebliches Konfliktpotenzial: Während das “goldene Kind” bevorzugt behandelt und mit vermeintlicher Liebe geradezu überschüttet wird, hat das “Sündenkind” das Nachsehen. So wachsen zwei Kinder derselben leiblichen Mutter im selben Haushalt in zwei völlig unterschiedlich erlebten Realitäten auf.

Narzisstische Mütter lassen ihre Kinder natürlich auch niemals ziehen

Mütter, die unter der psychischen Krankheit leiden, wollen diese symbiotische Beziehung, die sie nährt, und die Kontrolle darüber nicht aufgeben und verlieren. Oftmals bedeutet das für die Kinder narzisstischer Mütter einen lebenslangen Kampf, um sich aus dieser Verstrickung zu lösen. Auch ist es ein langer Kampf „des Kindes“, bis es die eigenen Gefühle, Gedanken und Bedürfnisse selbst überhaupt sehen und ernst nehmen kann. Ein Beispiel:

Eine Klientin von mir, die selbst unter einer narzisstischen Mutter gelitten hat, verteidigte diese noch in hohem Alter. Es war ihr kaum möglich, wirklich zu sagen, dass ihre Mutter grausam war. Diese hatte ihr jede eigene Gefühlsregung abgesprochen und ihr immer und immer wieder erklärt, dass es Quatsch sei, was sie fühle. Dies ging so weit, dass die Tochter einen Fuß gebrochen hatte und ihre Mutter ihr erklärte, dass sie sich das nur einbilde.

Zusätzlich zu diesen Extremen gibt es natürlich auch viele „mildere“ Formen, die für die Kinder dennoch ebenso furchtbar in seinen Auswirkungen sein können. Schon kleine Spitzen der narzisstischen Mutter in Richtung ihres Kindes, nicht in den Arm genommen zu werden oder grundsätzlich wenig echte Nähe und Empathie zu erfahren, wachsen im Laufe der Zeit zu einem schweren Päckchen, das Betroffene noch im Erwachsenenalter schultern müssen.

Folgen im Erwachsenenalter

Leider lernen wir alle durch die Art und Weise, wie wir „geliebt“ und behandelt wurden, was Liebe und Beziehung ist. Und Mangel bindet uns oft mehr an die Bezugsperson als Erfüllung. Das sind schwierige und oft tragische Prägungen, mit denen Menschen dann in ihr Erwachsenen-Dasein gehen. Eine narzisstische Persönlichkeitsstörung der Mutter richtet also erheblichen Schaden an.

Das Umlernen, was Beziehung ist und was Liebe ist, dauert oft sehr lange. Das Lösen aus dem durch narzisstische Mütter geprägten Muster „Liebe ist, bedienen zu müssen“, kann schmerzhaft und langwierig sein. Auch die Überzeugung, dass man gar nicht anders als der/die Partnerin sein darf und im Grunde kein eigenes Ich besitzen darf, kann in späteren Beziehungen eine große Herausforderung sein.

Wichtig ist auch hier, die Verantwortung für die Verletzungen dahin zu geben, wo sie hingehören: zum Elternteil. Und sich gegebenenfalls von der Vorstellung zu verabschieden, von der narzisstischen Mutter oder dem narzisstischen Vater noch etwas zu bekommen.

Bei all dem ist es wichtig, mit sich und den eigenen Gefühlen immer wieder gnädig zu sein und dennoch Verantwortung für den eigenen Prozess und das eigene Sein zu übernehmen. Nur so wird das eigene Selbstwertgefühl stabil, wir können uns selbst lieben und die Erfahrung von damals fällt nicht mehr so sehr ins Gewicht. Es kann hilfreich sein, sich für diesen nicht leichten Weg Unterstützung zur Traumabewältigung zu holen.


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Narzisstische Mütter

Hallo, herzlich willkommen zum Blog von traumaheilung.de. Ich bin Dami Charf und das heutige Thema ist auch ein Thema, das angefragt wurde, nämlich, was es eigentlich bedeutet, eine narzisstische Mutter zu haben, und welche Auswirkungen das hat.

Was ist eine narzisstische Mutter?

Narzisstische Mütter ist offenbar ein Thema, das einige Leserinnen und Leser beschäftigt. Ich will nicht sagen, dass ich Spezialistin für das Thema bin. Ich bekomme natürlich immer wieder Dinge mit und beschäftige mich dadurch zwangsläufig damit, deswegen möchte ich einfach meine Gedanken darlegen und vielleicht ist das eine Anregung oder ein Puzzlestück für Dein Leben.

In erster Linie bedeutet eine narzisstische Mutter haben, keine Spiegelung für sich selbst zu bekommen. Narzissmus bedeutet ein Stück weit, dass es eine Leere in der Person gibt. Aus dieser Leere kann sie nicht unterscheiden zwischen Du und Ich. Das ist, was eine narzisstische Mutter so hochtraumatisch machen kann, dass die Mutter das Kind vereinnahmt und es lediglich als Teil ihrer Selbst wahrnimmt und nicht sehen kann, wo das Kind anders ist als sie, oder es nicht zulassen kann. Dass sie nicht sehen kann, dass das Kind andere Bedürfnisse hat als sie, dass das Kind in eine andere Entwicklung geht. Eigentlich ist das Kind nur da, um die eigene Person zu spiegeln oder aufzuwerten oder die Bedürfnisse der eigenen Person zu befriedigen. Das ist, was narzisstische Mütter für ein Kind durchaus sehr traumatisch macht.

Was bedeutet das für mich?

Im schlimmsten Falle: Eine Klientin von mir hat sich den Fuß gebrochen und ihre Mutter hat einfach gesagt, da ist nichts, das was du fühlst, ist nicht wahr. Damit wachsen viele Kinder auf, mehr, als man vielleicht denken mag, dass ihre Bezugsperson ihnen abspricht, was sie fühlen und was sie wahrnehmen. Und das über die Zeit ist wie eine Gehirnwäsche und schadet der Entwicklung einer stabilen Ich-Struktur, in der ich sagen kann, ich bin ich und das ist, was ich fühle, was ich denke, was ich wahrnehme. Das heißt nicht, dass das immer richtig ist, soweit das überhaupt geht, aber dass ich ein konsistentes Gefühl dafür entwickle, wer ich bin und was mich ausmacht, und sehen kann, dass du jemand anderes bist als ich und das nicht als Gefahr für mein eigenes Selbst sehe. Bei Menschen mit Narzissmus existiert man entweder nur, um Bestätigung zu geben, oder man ist eine Gefahr für dieses sehr zerbrechliche Ich, das Narzissten haben und hinter dem praktisch immer ein Stück weit die Dunkelheit und die Leere warten.

Wie komme ich da heraus?

Was wichtig ist, ist, zu erkennen, wenn man mit einer narzisstischen Mutter aufgewachsen ist. Die Störung zu sehen, zu begreifen, dass die Referenzen, die man von diesem Menschen bekommen hat, schlicht und ergreifend falsch sind. Dass man anfängt, sich andere Personen, die gesünder sind und einem eine positive Spiegelung geben, einen als Mensch existieren lassen, als Orientierung zu suchen. Im besten Fall hatte man so jemanden in der Kindheit, der anders und gesünder mit einem umgehen konnte, im schlimmsten Fall muss man sich so jemanden als Erwachsener suchen.

Wichtig ist, einen Schnitt zu machen. Du wirst eine narzisstische Mutter als Kind nicht heilen oder ändern können. Sie ist, wie sie ist, und sie muss entscheiden, sich ändern zu wollen. Wir als Kinder können das einfach nicht. Wir müssen aus dieser Vereinnahmung heraus. Das ist das Schwierige, weil man gelernt hat, dass diese Vereinnahmung und dieses Hineinkriechen in die eigene Person Beziehung und Mutterliebe sind. Es ist ein harter und langer Weg, sich davon zu lösen und zu erkennen, dass das mit Liebe und Bindung nichts zu tun hat, sondern, dass das eine Vereinnahmung ist, auch später im Leben, die zu lösen ist. Denn das ist die einzige Form von Kontakt, die jemand, der wirklich narzisstisch ist, machen kann. Man tappt da immer wieder hinein, weil jemand vielleicht zuerst charmant und nett ist, aber dann doch wieder diese Vereinnahmung kommt.

Das ist, was ich über narzisstische Mütter gelernt habe. Das ist mit Sicherheit ein großes und komplexes Feld, auf dem es noch viel mehr zu lernen und zu sagen gibt. Das erst mal als Ausschnitt, als Anregung, vielleicht kannst Du etwas damit anfangen und es hilft Dir, klarer zu sehen, warum bestimmte Dinge für Dich so schwer sind oder was da eigentlich passiert ist. Das war es für heute erst einmal. Bis zum nächsten Mal, tschüs, Dami.

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